Brüsseler Jahresbilanz: Die große Euro-Reform muss warten

Die Eurozone wird erst im Juni ausgebaut. Merkel will mehr Wettbewerb, Hollande mehr Solidarität. Beide sind mit dem EU-Gipfel zufrieden – die SPD nicht.

Es muss Liebe sein: François Hollande (l.) und Angela Merkel. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Die Europäische Union geht mit Erfolgsmeldungen in die Weihnachtspause. Nach der Bankenaufsicht und dem Hilfspaket für Griechenland brachten die 27 Staats- und Regierungschefs auch einen Fahrplan für die Reform der Eurozone auf den Weg. Außerdem wurde ein Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit vereinbart, das allerdings im Wesentlichen auf freiwilligen nationalen Maßnahmen beruht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef François Hollande zogen eine positive Bilanz. Die Zeiten seien vorbei, in denen Europa seine Probleme „der Welt als Schauspiel präsentiert“, freute sich Hollande nach dem zweitägigen Treffen in Brüssel. „Wir haben einen Fahrplan für die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion verabschiedet“, lobte Merkel.

Allerdings war dieser Fahrplan erst nach stundenlangen nächtlichen Beratungen zustande gekommen. Zuvor hatte Merkel eine monatelang abgestimmte Gipfelvorlage von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zurückgewiesen. Sie sträubte sich auch gegen einen Vorstoß von Hollande, die Budgetdisziplin zu lockern und Zukunftsinvestitionen aus den nationalen Defiziten herauszurechnen.

Der nun beschlossene neue Fahrplan ist ziemlich vage. Allerdings verständigten sich die EU-Staatsspitzen darauf, im Juni einen neuen Anlauf zur Eurozonenreform zu wagen. Ein wichtiger Bestandteil sollen neue Reformverträge sein, die die Eurostaaten mit der EU-Kommission abschließen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Wer sich darauf einlässt, soll auch Finanzhilfen aus einem neuen Solidaritätsfonds erhalten.

Offen blieb aber, ob alle Eurostaaten solche Verträge abschließen müssen und ob es bei Nichteinhaltung Sanktionen geben wird. Hollande sagte, die Vereinbarungen seien freiwillig. Merkel stellte sie hingegen als verbindlichen Bestandteil einer „engeren wirtschaftspolitischen Koordinierung“ dar. Es gehe „nicht um Bestrafung, sondern um Anreize“, sagte sie. Allerdings sollen dafür nicht mehr als 10 bis 20 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Offen bleibt, woher das Geld kommt.

Merkel schon auf Wahlkampfkurs

Ein dauerhaftes großes Budget für die Eurozone ist ebenso vom Tisch wie Gemeinschaftsanleihen, die sogenannten Eurobonds. Streit gibt es offenbar weiter darüber, ob die Eurozone ein Instrument zur Abfederung neuer Finanzkrisen braucht. Dazu müsse man noch eine Entscheidung treffen, sagte Hollande. Doch Merkel lehnt eine neue Debatte ab. Offenbar möchte sie vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 keine neues Geld in die Hand nehmen.

Rückendeckung bekam Hollande dagegen von dem scheidenden Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. „Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten uns deutlicher für eine Finanzkapazität der Eurozone ausgesprochen“, sagte Juncker. Er sei „mit der Absenkung des Anspruchsniveaus […] in hohem Maße unzufrieden“, sagte er nach dem Ende des EU-Gipfels in Brüssel.

Kritik kam auch aus dem Europaparlament. Die Staats- und Regierungschefs hätten den „Sinn für die Dringlichkeit verloren“, kritisierten die Grünen-Abgeordneten Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit. Angesichts der negativen Wirtschaftsdaten in der Eurozone sei es „verantwortungslos, dass dieser Gipfel erneut keine gemeinsamen Ziele und Mittel zur Bekämpfung von Rezession und Arbeitslosigkeit beschlossen hat“. Ähnlich äußerte sich der SPD-Wirtschaftsexperte Udo Bullmann. Europa steuere 2013 in eine Rezession, doch die schon im Juni angekündigte Wachstumsstrategie lasse immer noch auf sich warten.

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