Britische Galerie hängt Kunstwerk ab: Frauenbilder ändern sich

Die Frau als passive Muse des Künstlers: Was früher für normal gehalten wurde, erscheint heute bizarr. Ist das noch Kunst oder kann das weg?

Drei Frauen sitzen vor mehreren Gemälden in einem Museum

Passiv und dekorativ? Das Frauenbild des 17. Jahrhunderts darf ruhig aus den Köpfen verschwinden Foto: reuters

Frauen, die von Männern begehrt werden. Frauen, die sich nackt auf Sitzmöbeln räkeln. Frauen, die entweder als Verführerinnen dargestellt werden, oder völlig passiv sind. Welchen Stellenwert und welche Rolle Frauen in der Vergangenheit hatten, zeigt sich ganz besonders in Kunst und Literatur. Ältere Werke widersprechen häufig den im 20. und 21. Jahrhundert errungenen Fortschritten in Sachen Gleichberechtigung.

In den vergangenen Wochen ist in Deutschland ein Streit darüber entbrannt, welches Frauenbild die Gesellschaft heute erträgt. Das Gedicht „Avenidas“ von Eugen Gomringer soll künftig nicht mehr an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf stehen. Das Gedicht aus dem Jahr 1951 beschreibt in nur sechs Worten in verschiedenen Kombinationen eine Szene, in der ein Mann Alleen, Blumen und Frauen bewundert.

„Dieses Gedicht reproduziert nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind“, hieß es in der Erklärung des Asta der Alice-Salomon-Hochschule.

Eine ähnliche Debatte wird nun auch in Großbritannien geführt. Die Manchester Art Gallery hat ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert wegen der Darstellung von Frauen vorübergehend aus ihrer Ausstellung entfernt. „Hylas und die Nymphen“ von John William Waterhouse zeigt einen in Tuch gekleideten jungen Mann, der von sieben nackten jungen Frauen in von Seerosen bedecktes Wasser gezogen wird.

Ein Gemälde zeigt einen bekleideten Mann und mehrere nackte Frauen in einem Teich

Hylas und die Nymphen Foto: J.W. Waterhouse/Wikimedia/gemeinfrei

„Diese Galerie präsentiert den weiblichen Körper als entweder ‚passiv-dekorativ‘ oder als ‚femme fatale‘. Lasst uns diese viktorianische Fantasie herausfordern!“, heißt es in der Erklärung der Galerie zu der Aktion. Das Abhängen sei Teil einer eigenständigen Kunst-Performance im Rahmen einer Ausstellung von Sonia Boyce und teilweise von den derzeitigen Debatten über Sexismus inspiriert gewesen – etwa unter dem Schlagwort #MeToo.

Zensur in der Kunst?

An der Stelle, an der das Gemälde hing, sollen Museumsbesucher jetzt ihre Diskussionsbeiträge auf kleinen Zetteln an die Wand pinnen. Auch auf der Webseite der Galerie kann man sich zu der Aktion äußern. Auf Twitter läuft eine Diskussion unter dem Hashtag #MAGSoniaBoyce.

Die Debatte dreht sich hauptsächlich um Zensur in der Kunst. Darf man Kunstwerke einfach entfernen, weil sie nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen? Ist es nicht offensichtlich, dass Frauen heutzutage anders betrachtet werden? Andererseits: Ist es wirklich Zensur, wenn nicht der Staat die Kunstfreiheit einschränkt, sondern eine Galerie sich für eine Kunstperformance dazu entscheidet, ein einzelnes Gemälde abzuhängen?

Vielleicht hätte es für den Anstoß zur Debatte ein besseres Mittel geben können als das Entfernen eines Kunstwerks. Aber die Aktion hat einiges bewirkt: Ein Gegenüberstellen von älteren Gemälden mit modernen, feministischen Werken zum Beispiel hätte der Debatte nicht halb so viel Aufwind gegeben. Manchmal benötigt es eben drastische Maßnahmen, um auf eine fehlende Auseinandersetzung hinzuweisen.

Das Bild soll nach dem Ende der Ausstellung von Sonia Boyce wieder zurück an die alte Stelle gehängt werden. Bis dahin ist aber noch viel Raum und Zeit, um über ein modernes Frauenbild nachzudenken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.