Briten stinksauer auf Österreich: Atomkrach in der EU

Österreich will gegen die Beihilfen für die Erweiterung eines britischen AKW klagen. Nun schwingen die Briten die diplomatische Keule.

Hinkley Point soll erweitert werden. Das wurmt die Österreicher Bild: rtr

WIEN taz | Premier David Cameron und Großbritannien wollen Österreich „in Bereichen klagen oder schaden, die starke innenpolitische Auswirkungen haben“. Das geht aus einer vertraulichen Depesche der österreichischen Botschaft in London hervor, die am Mittwoch vom Wiener Boulevardblatt Kronen Zeitung veröffentlicht wurde.

Geplant seien „energische“ Anrufe bei österreichischen Ministern und anderen Entscheidungsträgern, eine Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die Kennzeichnungspflicht für den Ursprung von Strom in Österreich. Zudem die „Ausübung von Druck, dass Österreich – wenn es die Kernenergie nicht als nachhaltige Energiequelle anerkenne – beim EU-internen 'effort sharing' einen größeren Anteil tragen muss“, so das von Botschafter Martin Eichtinger gefertigte Dokument wörtlich.

Ein Sprecher von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) bestätigte gegenüber der taz die Existenz dieses Schreibens. Man fürchte sich aber nicht. „Bundeskanzler Faymann wird Donnerstag im Rahmen des EU Rates in Brüssel Premierminister Cameron zu der Causa ansprechen“, sagte der Sprecher, „Die Position Österreichs zu Atomenergie ist allerdings unverrückbar“.

Auslöser für Britanniens Groll ist die Absicht Österreichs, im April eine Klage gegen die Erlaubnis der EU, Staatsbeihilfen für das Atomkraftwerk Hinkley Point C zu geben. Das Land entschied bereits vor über 36 Jahren per Volksabstimmung, sein damals bereits fertiggestelltes und einziges Atomkraftwerk nie anzuschalten.

20 Milliarden Subventionen

Das erste neue AKW des Vereinigten Königreichs seit 20 Jahren soll – so die Begründung für den Subventionsantrag – die Energielücke bis zum Ausbau erneuerbarer Energiequellen schließen. Im Oktober genehmigte die EU-Kommission dafür einen Zuschuss von rund 20 Milliarden Euro.

Österreich hatte schon damals in einer umfangreichen Stellungnahme argumentiert, dass Betriebsbeihilfen nur bei einem „vorübergehenden Marktversagen“ zulässig sind, was angesichts einer geplanten Bauzeit des AKW von zehn Jahren nicht zutreffen würde. Eine Dauersubventionierung einer ausgereiften, aber unrentablen Technologie wie es die Kernenergie ist, sei mit Artikel 107 der Europäischen Verträge unvereinbar.

Die Bauarbeiten für das britische 3,3 Gigawatt-Kraftwerk haben bereits begonnen. Die Kilowattstunde soll etwa das Doppelte des derzeitigen Marktpreises kosten. Aber so weit kommt es vielleicht nie. Andreas Molin, Abteilungsleiter für Nuklearangelegenheiten im österreichischen Umweltministerium, rechnet mit einer Verfahrensdauer von zwei Jahren.

Der Bau müsste so lange gestoppt werden. Experten bescheinigen Österreichs Klage gute Aussichten. Die bevorstehenden Unterhauswahlen könnten das Ende von Hinkley Point besiegeln, orakeln britische Medien. Die britischen Grünen frohlocken jedenfalls. „Es ist vorbei“, jubilierte Parteichefin Natalie Bennett im Guardian. Statt eine überkommene Technlogie an Leben zu halten, solle man sich besser auf erneuerbare Energieformen konzentrieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.