Brexit in Berlin: Abwarten und Tee trinken

Heute stimmt der britische Sektor über seinen Austritt ab. Prognosen über das Ergebnis gibt es nicht. Wäre es schlimm, wenn das Ergebnis Yes lautet?

Schirm mit britischer Flagge im Regen

Lassen die Briten die Berliner im Regen stehen? Foto: dpa

Ist Ber­lin ohne sei­nen bri­ti­schen Sek­tor über­haupt vor­stell­bar? Wenn des­sen Be­woh­ne­rIn­nen am heu­ti­gen Don­ners­tag über den Aus­tritt ab­stim­men, dann geht es um zwei­er­lei: ers­tens die reine tech­ni­sche Mög­lich­keit, Ur­ber­li­ner Ge­gen­den ein­fach zu ex­ter­ri­to­ria­li­sie­ren. Und zwei­tens um Gefühle, real feelings.

Tech­nisch ge­se­hen wäre der – nennen wir ihn ruhig so – Berxit kein allzu gro­ßes Pro­blem. Bereits zwi­schen 1961 und 1989 waren weite Teile der Stadt nicht ein­fach so er­reich­bar. Viel­leicht könn­te man im 21. Jahr­hun­dert auch dar­auf ver­zich­ten, wie­der eine Mauer und entsprechende Grenz­über­gän­ge zu er­rich­ten: An­ge­sichts der ziel­ge­nau­en Or­tungs­mög­lich­keit via Handy ließe sich wohl eben­falls ver­hin­dern, dass Ber­li­ner ein­fach so ver­bo­te­nes Ge­biet be­tre­ten oder umgekehrt verlassen.

Schwie­ri­ger wäre al­ler­dings fort­an der öf­fent­li­che Nah­ver­kehr zu or­ga­ni­sie­ren. So­wohl Ring­bahn wie auch Stadt­bahn lau­fen durch den bri­ti­schen Sek­tor. Und der Bahn­hof Zoo­lo­gi­scher Gar­ten ist zwar als Kno­ten­punkt nicht mehr so wich­tig wie noch vor ei­ni­gen Jah­ren; eine mög­li­che Blo­cka­de wäre dennoch kaum aus­zu­glei­chen durch Al­ter­na­tivstre­cken. Hier ste­hen im Falle eines Yes lang­wie­ri­ge Ver­hand­lun­gen über Tran­sit­re­ge­lun­gen und Durch­rei­se­ge­neh­mi­gun­gen an. Im­mer­hin: Per Flug­zeug wäre Ber­lin auch wei­ter­hin er­reich­bar, selbst wenn der BER nie fer­tig wird: Tegel liegt im französischen Sektor und wäre damit nicht perdu.

In öko­lo­gi­scher Hin­sicht ver­lö­re die Stadt die Kon­trol­le über viel Grün, etwa über den Tier­gar­ten und Teile des Gru­ne­walds. Bru­ta­le Fuchs­jag­den könnten künf­tig nicht mehr verhindert werden; ein even­tu­el­les Ab­hol­zen könn­te Aus­wir­kun­gen auf das ge­samt­städ­ti­sche Klima haben und bei­spiels­wei­se zu noch hei­ße­ren Som­mern füh­ren – an­ge­sichts einer ste­tig wach­sen­den Stadt nicht zu ver­nach­läs­si­gen­de As­pek­te.

Emo­tio­nal ge­se­hen würde sich die Ab­spal­tung schwie­ri­ger gestalten: O. k., die Sied­lung Span­dau woll­te eh nie zu Ber­lin ge­hö­ren und hat auch nicht wirk­lich etwas zu bie­ten, um das es sich zu trau­ern lohn­te. Doch ei­ni­ge Ber­li­ner In­sti­tu­tio­nen wären plötz­lich gone: die Wil­mers­dor­fer Wit­wen dürf­ten zum Ab­schied noch ein­mal win­ken; bei Au­to­ren­nen auf dem Ku’damm würde kein Ber­li­ner mehr ums Leben kom­men; die gan­zen schi­cken Hoch­häu­ser in der City West wären nur noch aus der Ferne sicht­bar; Her­tha müss­te sich künf­tig das Sta­di­on mit Union tei­len und statt im Olym­pia­sta­di­on in der Alten Förs­te­rei spie­len; der Reichs­tag, Sitz des Bun­des­tags, hätte noch vor ei­ni­gen Jah­ren in den Pa­last der Re­pu­blik um­zie­hen kön­nen – dann müsste er de­mü­tig um Asyl in ir­gend­ei­ner Bruch­bu­de, gar im so­wje­ti­schen Sek­tor, bit­ten.

Letztlich wäre das natürlich keine Mission impossible. Aber nice ist was anderes.

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