Brettspiel „Pandemic Legacy 2“: Gemeinsam gegen den Untergang

„Pandemic Legacy“ gilt unter Spielefans als das beste Spiel der Welt. Nun erscheint die zweite Folge des Kooperationsspiels.

Ein umgekippter Grabstein umgeben von Wasser.

In „Pandemic Legacy 2“ droht die komplette Menschheit unterzugehen Foto: ap

Es sind 71 Jahre vergangen, seit eine kleine Gruppe von Mediziner*innen, Forscher*innen, und Logistiker*innen die Welt vor einer katastrophalen Seuche bewahrten. Erfolgreich scheinen sie nicht gewesen zu sein, denn es ist 71 Jahre nach dem Zusammenbruch. Die globale Welt, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Die Menschen leben auf schwimmenden Plattformen im Atlantik und in wenigen Städten an den Küsten. Ein Großteil der Weltkarte ist schwarz: Was dort passiert, ist (noch) unbekannt. Selbst dort sind die Reste der Menschheit nicht sicher, es mangelt an Vorräten und die Krankheit droht immer wieder auszubrechen.

So beginnt das Brettspiel „Pandemic Legacy 2“, das am Mittwoch erscheint und ab Donnerstag auf der Spielemesse in Essen ausgestellt wird. Wieder schlüpfen die Spieler*innen in Rollen verschiedener Berufsgruppen und versuchen gemeinsam, die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren. Die Zufluchtsorte der Menschen müssen versorgt werden, Ausbrüche der Krankheit müssen verhindert werden. Und vielleicht gelingt es ja auch, die Welt wieder neu zu entdecken – die weltweite Zivilisation wiederherzustellen. Wenn das „Pandemic Legacy 2“ auch nur annähernd so gut sein will wie sein Vorgänger, hat es Großes vor: „Pandemic Legacy“ gilt unter Brettspielfans als das beste Spiel der Welt.

„Pandemic“ entwickelte mit zwei wichtigen Neuerungen die Brettspielwelt weiter: Kooperation statt Wettkampf, es wird miteinander nicht gegeneinander gespielt. Bei der ersten Version von „Pandemic Legacy“ wurde dann das Erzählen einer Geschichte über mehrere Spielpartien eingeführt. Die Spieler*innen spielen gemeinsam gegen das Spiel, dass durch ein ausgefeiltes System von Ereigniskarten ihnen das Leben schwer macht. Was sie tun, wirkt sich nicht nur auf dieses Spiel aus, sondern auf alle weiteren. Jede Partie spielt in einem Monat des Jahres, jeden Monat kommen neue Spielfiguren und Regeln hinzu. Zugleich können die Spieler*innen einige erreichte Vorteile mit ins nächste Spiel mitnehmen, müssen damit aber auch Nachteile permanent machen.

Mit den Entwicklungen sind „Pandemic“-Autor Matt Leacock und seine Spiele wohl so wichtig und bahnbrechend für die Welt der Brettspiele wie einst Klaus Teuber mit „Die Siedler von Catan“. Mit dem Erfolg von „Catan“ wurden Standards gesetzt: KeinE Spieler*in durfte vorzeitig ausscheiden, wie bei Monopoly; das Spiel endete in einer begrenzten Zeit, anders als beispielsweise bei Risiko; das veränderbare Brett sorgte für immer neue Spielszenarien, anders als bei klassischen Spielen wie Schach; und bis zum Ende blieb offen, wer das Spiel gewinnen würde. All das hatte Teuber mit „Catan“ nicht erfunden, doch danach gab es kein Zurück mehr. Wo Teuber Standards setzte, popularisierte Leacock wichtige Innovationen.

Die Entwicklung des Spiels

Dabei hat der 44-Jährige weder Kooperationsspiele noch Legacy-Spiele erfunden. Er selbst sagt, dass ihn Reiner Knizias Kooperationsspiel „Der Herr der Ringe“ aus dem Jahr 2000 inspirierte, in dem Spieler*innen je einen Hobbit spielen und versuchen, den Ring von Sauron zu zerstören. „Als ich das mit Freund*innen spielte, bekamen wir Angst“, sagte Leacock zum Guardian. „Es gab Selbstopfer. Es gab alle mögliche Höhe- und Tiefpunkte. Am Ende fühlten sich alle gut, egal ob sie gewonnen oder verloren hatten. Ich wollte sehen, ob ich so etwas auch machen konnte.“

Matt Leacok, Entwickler

„Ich mag die Herausforderung, eine künstliche Intelligenz zu entwickeln, die nur aus Papier besteht“

Es dauerte noch sieben Jahre, bevor die erste Version von „Pandemic“ auf den Markt kam. Leacock, der damals noch als Softwareentwickler arbeitete, entwickelte das Spiel drei Jahre lang, bevor er es an einen Verlag gab. Im Spiel versuchen zwei bis vier Spieler*innen gemeinsam vier verschiedene Krankheiten auszurotten, während diese an zahlreichen verschiedenen Orten der Welt ausbricht. Die Spieler*innen wählen selbst ihre Spielstärke, aber das Spiel passt sich auch mit mehreren ausgefeilten Mechaniken der Spieler*innenzahl an. Leacock, der vor allem Kooperationsspiele entwickelt hat, vergleicht das gerne mit Programmieren: „Man muss sich einen Gegner ausdenken, der den Spieler*innen gerecht wird, aber man hat nur Karten und Pappe. Ich mag diese Herausforderung, eine künstliche Intelligenz zu entwickeln, die nur aus Papier besteht.“

Das Spielprinzip

Das Spielprinzip hat Leacock dann weiterentwickelt, in „Die verbotene Insel“ müssen Spieler*innen Schätze von einer Insel bergen, bevor sie im Wasser versinkt; in „Die vergessene Stadt“ müssen sie aus einer Wüste entkommen, bevor sie vom Wüstensand begraben werden. Krankheitsausbrüche, steigender Wasserspiegel, zunehmender Wüstensand sind jeweils die „künstliche Intelligenz“, von der Leacock spricht. Die Feinde sind nicht an sich Böse, sondern Naturgewalten, die eine Gefahr für Menschen darstellen, und dennoch ist der Sieg gegen sie befriedigend. Die Held*innen von Leacocks Spielen sind auch oft aus untypischen Berufsgruppen: Sanitäter, Krisenmanager, Archäologen, Taucher.

Um gegen das Spiel anzukommen, müssen Spieler*innen anders miteinander umgehen als in anderen Brettspielen, in denen sie in Konkurrenz zueinander stehen. Das bedeutet: viel miteinander sprechen, Aufgaben nach Stärken der einzelnen Figuren aufzuteilen, zu koordinieren, zu versuchen, die Fähigkeiten der Figuren miteinander zu kombinieren.

Oft bedeutet das aber auch: dass viel gerechnet werden muss, um zu schauen, welche Züge am erfolgreichsten sein werden, und manchmal dominieren besonders gute Einzel­spieler*innen das gesamte Spiel, weisen alle anderen an, spielen im Prinzip allein. Und dennoch: Wenn am Ende das Spiel in letzter Sekunde gewonnen wird, ist das Gefühl der Erleichterung allgegenwärtig.

Die zentrale Neuheit

Die zentrale Neuheit bei den Legacy-Versionen ist, dass das Spiel nicht nach einer Partie endet, dass einige Spielstände in die nächste Partie mitgenommen werden können und meistens neue Regeln – und damit auch neues Material – ins Spiel kommen. Zugleich entwickelt sich zwischen den zwölf Monaten die Geschichte des Spielszenarios weiter. Anders als herkömmliche Brettspiele hat „Pandemic Legacy“ nicht nur einen kleinen Erzählbogen in jeder Partie, sondern auch einen großen für das gesamte Spiel. Und so gibt es auch hier das Phänomen „Spoiler“ aus der Roman-, Film- und Fernsehwelt: Spannende Wendungen können nicht besprochen werden.

Vielleicht so viel: Was sich im Spiel verändert, fühlt sich permanent an. Die Eigenschaften von Spielfiguren werden aufgeklebt, auf dem Brett werden Veränderungen mit Aufklebern festgehalten, und Karten, die nicht mehr gebraucht werden, werden zerrissen. Einmal ausgespielt, kann man es nicht noch mal spielen. Genial an „Pandemic Legacy“ ist aber, dass das Spiel es nun auch schafft, sich der Spielstärke der Spieler*innengruppe anzupassen. Nach jeder Partie wird es schwerer oder leichter, je nachdem, ob die Spieler*innen gewonnen haben oder die Partie wiederholen müssen.

Matt Leacock, Rob Daviau: „Pandemic Legacy Season 2“, 2017, Z-Man/Asmodee

Und das ist es vielleicht, was Leacocks Erbe für die Brettspielwelt sein wird: Die Entwicklung von dynamischen Programmen aus Papier, die unaufdringlich und elegant sind und es zugleich schaffen, große Emotionen in einer Spielrunde auszulösen.

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