Bremen soll artgerecht speisen: Eine Frage der Definition

Ein Bürgerantrag will Bremen zur ersten deutschen Großstadt ohne Fleisch aus Massentierhaltung machen.

Wenn es so was in der Kantine gibt, darf es weiter billig sein. Foto: Paul Zinken/dpa

BREMEN taz |Irgendwie sind sie alle dafür, sagen sie – die Grünen und Die Linke sowieso, und die SPD, mit Verweis auf den Koalitionsvertrag. Nicht mal CDU und FDP sind so richtig dagegen. Nur beschlossen haben sie die Verbannung des „Billigfleisches“ aus alle Kantinen und Mensen in Bremen dann doch nicht. Gefordert und überhaupt auf die Tagesordnung der Stadtbürgerschaft gesetzt haben das Thema 5.383 BremerInnen, die einen Bürgerantrag des agrarpolitischen Bündnisses Bremen (ABB) unterschrieben haben.

Das verlangt, binnen eines halben Jahres, ein Konzept, mit dem Bremen bis 2020 die gesamte öffentliche Gemeinschaftsverpflegung auf „nachweislich artgerechte Tierhaltung“ umstellt. Und zwar in allen – stadtweit nur noch privat geführten – Kantinen, Kitas, Krankenhäusern, Schulen und Mensen. Außerdem soll Bremen dort, wo es selbst Lebensmittel einkauft, etwa für Empfänge, schon in einem halben Jahr nur noch Fleisch aus artgerechter Tierhaltung servieren. In Bremen essen, so steht’s im neuen Fleischatlas von BUND und Böll-Stiftung, Männer im Schnitt 171 Gramm und Frauen 82 Gramm Fleisch am Tag. Von der Initiative betroffen sind laut ABB täglich 50.000 Tischgäste, darunter 14.000 Kinder und 2.500 PatientInnen. Um ihnen „Billigfleisch“ zu ersparen, müsste Bremen Vereinbarungen mit den jeweiligen Kantinenbetreibern treffen.

Rot-Grün hat den Antrag aber jetzt erst mal an den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen sowie an die Gesundheits- und Landwirtschaftsdeputation. „Das ist keine Beerdigung erster Klasse“, sagt der agrarpolitischer Sprecher der SPD, Jens Crueger, der früher schon mal für die Grünen im Landtag saß. Er stößt sich, so wie auch die CDU, vor allem am Begriff „artgerecht“, der seiner Ansicht nach „völlig unbestimmt“ und „semantisch weit wie ein Scheunentor“ ist. „Der gesunde Menschenverstand bringt uns da weiter“, entgegnet Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen.

Karl-Peter Bargfrede vom ABB hat da ganz klare Vorstellungen: „Artgerecht“ ist aus seiner Sicht, was auch einem der Bio-Label genügt, allen voran Demeter oder Bioland. „Artgerecht“ sei aber auch, was dem Neuland-Siegel genüge. Dort sei die Haltung der Tiere „vorbildlich“, sagt Bargfrede, auch wenn die Fütterung der Tiere nicht rein ökologisch sei.

Die Linke findet den Antrag „radikal“ und „pragmatisch“ zugleich

Frank Imhoff von der CDU, selbst ein Landwirt, kann dem „so nicht zustimmen“. Für all jene, die diese Siegel nicht führen, bedeute eine solche Definition „eine Generalverurteilung, die wir nicht mitmachen können“. Die Menschen müssten immer die Wahl haben, findet Imhoff – und am Fleischumsatz im Discounter könne man sehen, dass „die Menschen noch nicht überzeugt sind“.

Und während die Grünen, die mit den bremischen Kantinen gerne bundesweit „Vorreiter“ werden wollen, den Antrag „hervorragend“ finden, hegt die SPD nur „hohe Sympathie“. Zudem monierte ihre Rednerin Stephanie Dehne, dass der vom ABB gesetzte Zeitrahmen „deutlich zu kurz“ sei – wofür sie höhnische Kommentare von der Tribüne erntete. „Sie drücken sich um einen Beschluss“, sagt Peter Erlanson von der Linkspartei zu SPD und Grünen – er lobt den Bürgerantrag als „radikal“ und zugleich „höchst pragmatisch“.

Im rot-grünen Koalitionsvertrag ist nur von einer „Qualitätssteigerung“ der Essensversorgung die Rede; sie bedeute, „dass Tierprodukte zunehmend aus ökologischer Tierhaltung angeboten werden“. Dass das am Ende mehr Geld kostet, nahmen SPD und Grüne schon in den Koalitionsverhandlungen billigend in Kauf. Die höheren Einkaufspreise dürften aber nicht 1:1 an die Endabnehmer weitergegeben werden, sagt Crueger.

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