Brand in pakistanischer Textilfirma: Die Verantwortung der Discounter

259 Menschen starben 2012 bei einem Fabrikbrand in Pakistan. Kik wird nun in Deutschland verklagt, weist aber jede Verantwortung von sich.

Frauen sitzen an Nähtischen

In dieser Fabrik in Karachi wird fleißig genäht. Hoffentlich gibt es genug Notausgänge. Foto: reuters

BERLIN taz | „Die Textilfirma Kik will sich aus ihrer Verantwortung herauswinden“, sagt Ali Karamat. Der Arbeitsrechtler aus Pakistan, kantige Brille, weißer Bart, ist nach Berlin gekommen, um an einer Konferenz über die Arbeitsbedingungen in den globalen Zulieferfabriken teilzunehmen. Da passt es zum Thema, dass die Kaiser’s- Tengelmann-Tochter Kik gerade einen langen Schriftsatz veröffentlicht hat, mit dem sie die Schadensersatzansprüche von Opfern des Fabrikbrandes in Karatschi 2012 zurückweist.

Als die Fabrik Ali Enterprises damals abbrannte, starben 259 ArbeiterInnen, 55 wurden verletzt. Kik hatte dort Textilien produzieren lassen, die man auch in Deutschland kaufen konnte. Karamat, der Mitgründer des Pakistanischen Instituts für Arbeitsbildung (Piler), unterstützt die Geschädigten. In Form einer Klage auf Schadensersatz und Zahlung von Schmerzensgeld liegt die Sache seit März 2015 beim Landgericht Dortmund. Wann eine Entscheidung fällt, ist unklar. Es ist ein Präzedenzfall: Würde Kik zur Zahlung an die Familien der Opfer verurteilt, nähme der Druck auf viele deutsche Konzerne zu, Milliarden Euro für bessere Arbeitsbedingungen bei ihren weltweiten Zulieferern auszugeben.

In ihrer Klageerwiderung schreiben die Kik-Anwälte nun, man dürfe Kik nicht für die etwaigen Missstände bei Ali Enterprises verantwortlich machen, denn die deutsche Firma sei nur als Auftraggeber aufgetreten. Die Textilfirma verweist auf ihre Verhaltensregeln, die die Lieferanten unterschrieben. Diese sagten damit zu, für Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten zu sorgen.

Vor der Katastrophe ließ Kik seinen Zulieferer Ali Enterprises viermal von einer externen Kontrollfirma überprüfen. Diese stellte auch Mängel der Arbeitssicherheit zum Beispiel beim Umgang mit Chemikalien fest. Dass Notausgänge gefehlt haben könnten, wurde aber offensichtlich nicht thematisiert.

Für Tote verantwortlich

Ali Karamat sieht vieles, was in dem Schriftsatz der Kik-Anwälte steht, ganz anders. Beispielsweise sei die deutsche Firma nicht ein Auftraggeber von vielen gewesen, sondern der wichtigste. Deshalb komme Kik auch eine besondere Verantwortung für die Arbeitsbedingungen bei Ali Enterprises zu.

Die Berliner Rechtsanwältin Miriam Saage-Maaß, die die Schadensersatzklage ausgearbeitet hat, ergänzt: „Dass die meisten Fenster der Zulieferfabrik vergittert waren und nur eine Treppe in die oberen Stockwerke führte, hätte den Kik-Mitarbeitern, die die Firma besuchten, auffallen müssen.“ Der deutsche Textilhändler habe also gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen und sei damit auch für die Todesopfer mitverantwortlich, so Saage-Maaß, die für die Bürgerrechtsorganisation ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights) in Berlin arbeitet.

Gut 800.000 Euro Entschädigung hat Kik bereits gezahlt. Zusammen mit Geld der pakistanischen Regierung erhielten die Familien der Opfer jeweils bis zu 11.000 Euro. Ali Karamat argumentiert jedoch, dass das nicht reiche, um den Lebensunterhalt der Familien zu sichern, wenn der Hauptverdiener gestorben sei. Über weitere Entschädigungen, die Kik grundsätzlich zugesagt hat, gibt es noch keine Einigung. „Diesen Anspruch wollen wir nun exemplarisch bei dem deutschen Gericht durchsetzen“, so der pakistanische Arbeitsrechtler.

Außerdem wünscht sich Karamat von der deutschen Regierung mehr Unterstützung. Beispielsweise solle sie der pakistanischen Regierung helfen, die dortigen Institutionen zu verbessern. Gegenwärtig arbeiteten in dem asiatischen Land nur 551 Inspektoren, die die 25.000 bis 30.000 Textilfabriken kontrollieren sollten.

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