Blockupy-Proteste: "Das schürt nur Reformillusionen"

Die politische Aktivistin Marlies Sommer glaubt nicht, dass der Kapitalismus durch Umverteilung sozialer wird. Bei Blockupy war sie trotzdem dabei.

Er sieht das offensichtlich anders als Malies Sommer: Blockupy-Demonstrant in Frankfurt. Bild: dpa

taz: Frau Sommer, viele Blockupy-Demonstranten wollen ein Ende der „europäischen Verarmungspolitik“, Griechenland soll sich nicht zu Tode sparen müssen. Sie geißeln das als Linksreformismus. Warum?

Marlies Sommer: Weil es naiv ist zu glauben, dass man den Kapitalismus durch Umverteilungspolitik sozialer machen kann. Etwa nach dem Motto: „Geld ist genug da“ – dieser Slogan war am Samstag auf der Demo zu hören.

Was ist daran falsch?

Kapitalistische Staaten sind dazu da, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu produzieren, da gibt es kein Vertun. Öffentliche Wohlfahrt ist diesem Ziel grundsätzlich untergeordnet. Diese Logik der Standortkonkurrenz lässt sich nicht durch Umverteilungspolitik austricksen.

Aber es gibt Stellschrauben, wie viel in welchen Taschen landet – und ob das zum Leben reicht oder eben nicht.

Die 29-Jährige ist im kommunistischen Bündnis „Ums Ganze“ aktiv, das sich an Blockupy beteiligte.

Attac will die Kapitalertrags- und Finanztransaktions-, die Linke die Vermögenssteuer. Das schürt nur Reformillusionen und kratzt nicht mal an der Oberfläche von Standortkonkurrenz, Verwertungszwang und Lohnabhängigkeit. Soziale Zugeständnisse gibt es nur, wenn die Produktivität stimmt – denn sonst geht das Kapital woanders hin. Sozialstaat und autoritäre Arbeitsverwaltung gehen Hand in Hand.

Das heißt, die Linkspartei und Attac sollten ihre Reformbemühungen einstellen?

Sie sollen nicht so tun, als sei ein zweiter Fordismus möglich oder wünschenswert. Dieses Modell hat sich erledigt. Was bei den Sozialreformen bestenfalls herauskommt, sind Teilerfolge für deutsche Lohnabhängige. Aber was umverteilt werden soll, muss in der Standortkonkurrenz immer ganz konkret gegen andere erstritten werden. Deutschlands Erfolge sind nicht ohne die Niederlagen anderer Länder zu haben. Das Gleiche gilt für alle EU-Wachstumszonen.

Was fordern Sie?

Die Sozialdemokraten aller Parteien wollen das Modell schuldenfinanzierten Wachstums – auch in Griechenland – fortsetzen. Nötig ist aber, den kapitalistischen Markt zurückzudrängen. In vielen griechischen Kommunen sehen wir heute, dass aus der Not heraus die öffentlich Versorgung – Wasser, Elektrizitätsversorgung, Krankenhäuser – jetzt selbst organisiert werden kann. Das zeigt, dass es grundsätzlich möglich ist, die gesellschaftlichen Bedürfnisse ohne kapitalistischen Markt zu organisieren. Das ist auch eine Frage von Enteignung.

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