Biozide in Alltagsprodukten: Keimkiller im Haushalt

Antibakterielle Wirkstoffe in Textilien, Kosmetika oder Haushaltsreinigern schaden Umwelt und Gesundheit. Verbraucher sollten diese meiden.

Ein Hand mit Putztuch wischt über die Toilettenbrille

Übertriebene Hygiene im Alltag kann die Gesundheit gefährden Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Auch wenn sich die Sicht auf Bakterien so langsam wandelt und klar wird, dass auch einiges, was da so kreucht und fleucht, gut ist für unsere Gesundheit, so treibt einige Zeitgenossen doch noch die Angst um, wenn es um Keime geht. Schließlich sind die für so manche auch gefährliche Infektionskrankheit verantwortlich, etwa Streptokokken, die nicht nur Ohren- oder Lungenentzündungen verursachen, sondern auch auf das Herz gehen können.

Um sich gar nicht erst mit solch fiesen Keimen anzustecken, stehen in Drogeriemärkten spezielle Reinigungs- und Pflegemittel bereit, die antibakterielle Wirkstoffe enthalten. Früher waren diese nur als Desinfektionsmittel in Krankenhäusern zu finden, doch seit den 1990er Jahren werden sie auch im Haushalt – wenngleich in geringeren Dosierungen – verwendet.

Dass diese Produkte jedoch nicht besser vor Infektionen schützen als etwa normale Handseife, darauf haben kürzlich über 200 US-Wissenschaftler, darunter Arlene Blum, Umwelt- und Gesundheitswissenschaftlerin am Green Science Policy Institute, in einer Stellungnahme hingewiesen. Vielmehr richten antibakterielle Produkte sogar Schaden an Gesundheit und Umwelt an.

Kritisch wird vor allem der Wirkstoff Triclosan betrachtet. Er kann direkt auf der Haut Kontaktallergien auslösen oder auch die schützende Mikroflora zerstören. Oder er gelangt über die Haut in den Körper.

Verminderte Fruchtbarkeit

Dort greift der Keimkiller in das Hormonsystem ein. Vor allem in der Schwangerschaft und Stillzeit gelten Biozide als gefährlich, weil Feten und Neugeborene extrem sensibel gegenüber Chemikalien sind. So führt Triclosan bei Frauen, die hohe Wirkstoffkonzentrationen in Blut und Urin aufweisen, laut der Mirec-Studie aus dem Jahr 2015 zu verminderter Fruchtbarkeit. Weitere Folgen könnten ein erhöhtes Brustkrebsrisiko sein sowie bei Männern eine verringerte Spermienzahl.

US-Analysen zeigten, dass in drei von vier Urinproben Triclosan nachweisbar ist. Ob eine solche Belastung auch das Mikrobiom im Darm und damit das Immunsystem beeinflusst, ist bislang nicht klar, weil Studien widersprüchliche Ergebnisse lieferten. In einigen Studien reichten jedoch bereits geringe Mengen, um die Mikrobenzusammensetzung im Darm zu beeinflussen. Aus Humanstudien weiß man aber, dass eine Triclosan-Belastung bei Kindern mit mehr Allergien und Asthma einhergehen.

Triclosan kann ­Kontaktallergien auslösen oder die schützende Mikro­flora auf der Haut zerstören

In Tierstudien führte Tri­closan gar zu geschwächter Muskelkraft und geschädigter Herzfunktion. Geringe Konzentrationen, wie sie in Haushaltsreinigern vorkommen, können auch Bakterienresistenzen etwa gegen Triclosan, aber auch gegen Antibiotika fördern.

Das Biozid steckt laut der Verbraucherzentrale in Kosmetika, Fußpflegemitteln, Zahnpasta, Mundwasser, Duschgel, oder Rolldeos. Nur in Körperlotionen, wo die Produkte lange auf der Haut bleiben, ist der Stoff verboten. Auch Textilien, etwa Sportbekleidung und Schuhe, werden damit präpariert, um Gerüche zu mindern. Rund 2.000 Alltagsprodukte sollen Triclosan enthalten. Hersteller halten den Keimkiller für unproblematisch.

Doch auch Umwelttoxikologen schlagen Alarm: In Kläranlagen wird die Substanz nur teilweise entfernt, der Rest wird nicht zerlegt, sondern nur umgewandelt. Sonnenlicht, Ozon und Chlor gemeinsam mit Mikroben kann aus diesen Produkten dann noch langlebigere und giftigere chlorierte Dioxine schaffen. Auch im Abwasser wird die Bildung resistenter Bakterien begünstigt. Das im Klärschlamm verbleibende Triclosan wird teilweise auch auf die Felder als Düngemittel aufgebracht.

Gelangt der Stoff schließlich in Oberflächengewässer, haben Algen und Fische ein Nachsehen: Forscher des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) haben im Jahr 2012 aufgedeckt, dass im Einzugsgebiet der Elbe die für Algen ungiftigen Triclosan-Grenzwerte teilweise um das Zwölffache überschritten waren. In satten 75 Prozent der Proben war Triclosan enthalten. Grünalgen sind die Nahrungsgrundlage für Fische und Wirbellose in Flüssen und Seen. Man müsse diese Stoffe besser kontrollieren, meint der UFZ-Toxikologe Peter von der Ohe.

Unter Beobachtung

Seit 2013 steht die Chemikalie auf der Beobachtungsliste der EU. Wenn mindestens vier Mitgliedsländer den Stoff in problematischen Konzentrationen nachweisen, muss die EU-Kommission Grenzwerte festlegen. Das wäre ein erster Schritt, um Triclosan EU-weit zu verbieten. Schließlich stufen Umweltexperten laut der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPAU) Triclosan auf Platz 6 von 500 problematischen Stoffen ein.

In den USA ist man da schon weiter. Die Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA hatte im vergangenen Herbst bestimmt, dass 19 biozide Wirkstoffe, darunter Triclosan, nicht mehr in Alltagsprodukten wie Handseifen verwendet werden dürfen. In Deutschland finden sich dagegen sehr wohl noch Biozide in abspülbaren Pflegeprodukten, darauf wies die Verbraucherzentrale kürzlich hin und fordert ein Verbot. Laut GPAU sollten auch in der Medizin entsprechende Desinfektionsmittel nur maßvoll genutzt werden. Wenn möglich, sollten Ersatzstoffe verwendet werden.

In den USA kommen solche Alternativstoffe schon in größerem Umfang, etwa in Handseifen, zum Einsatz. Die US-Wissenschaftler warnen jedoch, dass diese noch nicht besonders gut erforscht seien. „Sie könnten noch schlimmer sein“, so Blum.

Derweil wird Triclosan munter in allen möglichen anderen US-Produkten verwendet, der Markt wächst weiter. Antimi­krobielle Substanzen findet man mittlerweile auch in Türgriffen, Yoga-Matten und Wandfarbe. „Verbraucher sollten diese Produkte besser im Laden lassen“, warnt Blum.

Hierzulande erkennt man solche Produkte etwa daran, dass sie mit antibakterieller oder geruchshemmender Wirkung werben. Triclosan muss bei Kosmetikprodukten auch auf der Inhaltsstoffliste stehen.

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