Bilanz der WM 2015 in Kanada: Nach dem Turnier ist vor dem Kampf

Die Organisatoren sind zufrieden. Die Spielerinnen fordern mehr Mitbestimmung. Und der Weltverband Fifa schweigt lieber.

Fans des chinesischen Nationalteams

Edmonton, 6. Juni: Fans des chinesischen Nationalteams vor dem Spiel gegen Kanada Foto: ap

VANCOUVER taz | Die gute Nachricht am Ende dieser Weltmeisterschaft WM lautet, dass die Fußballspielergewerkschaft FIFPro jetzt jede Frau als Mitglied willkommen heißt. Egal, ob der Verband der Spielerin Mitglied in der Gewerkschaft ist oder nicht, ob sie als Amateurin eingestuft ist oder als Profi.

Dass die 1965 gegründete Organisation diese Entscheidung am Freitag in Vancouver als „historisch“ verkaufte, ist zwar etwas unglücklich, denn die Frage, warum nicht schon längst alle Frauen Zugang haben, müsste sich die Organisation schon stellen lassen. „Die meisten Frauen wissen oft gar nichts von der Existenz der FIFPro“, sagt Caroline Jönsson, Leiterin des Frauenfußballkommitees der FIFPro und ehemalige schwedische Nationaltorhüterin.

Der Verband hätte erst spät begriffen, dass die Frauen unterstützt werden müssen. Nicht mal jeder Bundesligaspieler weiß von der Existenz dieser Spielervertretung. Aufgrund der aktuellen Debatten um die korrupten Strukturen der Fifa könnte die Gewerkschaft mit ihrer Kampagne für die Gleichberechtigung von Frauen in Zukunft eine größere Rolle spielen.

Erst im vergangenen Dezember, mit der Klage der Spielerinnen gegen die Entscheidung, die WM auf Kunstrasen zu spielen, sei der Verband hellhörig geworden. „Das war die entscheidende Wende“, sagt Jönsson. Prominente Fußballerinnen wie Schwedens Topstürmerin Lotta Schelin, Australiens Torhüterin Lydia Williams und die zukünftig für Bayern München spielende spanische Topstürmerin Veronica Boquete wurden für den neugegründeten Beirat des Frauenkommitees gewonnen. Internationale Stars wie Lionel Messi, Ronaldo, Marta und Anja Mittag unterstützen die Arbeit von FIFPro.

Boquete war eigens für die Pressekonferenz am Freitag erneut nach Vancouver geflogen. Spanien war bereits in der Vorrunde ausgeschieden. Zusammen mit ihrem Team hatte Boquete in einem offenen Brief den seit 27 Jahren amtierenden Trainer Ignacio Quereda hefig kritisiert und für ihr frühes Ausscheiden verantwortlich gemacht. Sie forderten seinen Rauswurf, mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen.

Kämpferische Interessenvertreterin

Jetzt spricht Boquete als doppelter Star, grandiose Fußballerin und kämpferische Interessenvertreterin. „Wir sind hier, um die Rechte der Spielerinnen zu verteidigen. Wir glauben, dass es Zeit für Veränderung ist. Wir wurden so oft missachtet. Das muss aufhören.“ Die FIFPro unterstützt ihre Forderungen. „Ich bin optimistisch, dass eine Lösung gefunden wird“, sagt sie. Und wenn nicht? „Unter diesem Trainer stehe ich der Nationalmannschaft nicht mehr zur Verfügung.“

Noch ist Quereda im Amt. Aber der Druck, den Boquete aufgebaut hat, dürfte dem spanischen Verband nicht ganz gleichgültig ein. Das Medienecho war immens.

Alles andere als egal ist auch der Fifa die Organisation FIFPro. Auf der Veranstaltung im Westin Grand Hotel benannte der Generalsekretär Theo van Seggelen offen die Missstände innerhalb des größen Sportverbands der Welt. Es geht um Mitsprache, um Bezahlung und um Rechte. Es geht um die Definition der Spielerinnen als Amateure oder als Profi, intransparente und unzeitgemäße Strukturen und Hierarchien und um Dinge wie die Koordination des Spielkalenders. Der FIFPro-Vorschlag, ein spezielles Gremium in der Fifa einzurichten, das zur Hälfe aus Spielern und zur Hälfte aus Vereinsvertretern besteht, findet die Fifa laut Seggelen nicht ganz abwegig.

Frauen in Leitungsfunktionen

Moya Dodd, Vize des asiatischen Fußballverbands und Mitglied des Fifa-Exekutivkommitees, kennt diesen Vorschlag, will sich aber auf Nachfrage nicht dazu äußern. Die Arbeit der Gewerkschaft mag sie ebenfalls nicht beurteilen, sagt aber: „Dass die ihre Pressekonferenz zur selben Zeit machen wie wir unser Frauensymposium, sagt ja viel.“ Was genau? „Fragen Sie das doch die Macher.“

Moya Dodd ist eine der Namen, die fallen, wenn es um die Nachfolge Sepp Blatters geht. Und sie ist eine der Initiatoren der am Samstag auf dem 6. Fifa-Frauen-Symposium in Vancouver vorgestellen Kampgane für die Stärkung von Frauen in Leitungsfunktionen. Sie gilt intern als heftige Kritikerin. Zum Eisschrank wird sie aber trotzdem, wenn es um Fragen danach geht, was diese WM auf Kunstrasen dem Frauenfußball gebrach hat. „Das müssen wir noch auswerten“.

Auf die Abwesenheit von Sepp Blatter angesprochen, reagiert Dodd genauso abgedroschen wie Tatjana Haenni, Direktorin der Fifa-Frauenwettbewerbe, die auf der Abschlusskonferenz der Fifa im Westin Bayshore Hotel sagte: „Es ist den Spielerinnen ja wohl egal, wer ihnen den Pokal überreicht.“ Die Fifa-Moderatorin der Abschlusskonferenz verplapperte sich bei der Vorstellung Haennis. „Sie werden jetzt ihren sicher positiven Bericht vorstellen.“

Doppelte Zuschauerzählung

Sicher. Alles positiv. Auch der Präsident des kanadischen Fußballverbands Victor Montagliani und sein Generalsekretär Peter Montopoli hielten sich daran. Alles super. Leere Stadien? Wo denn? Doppelte Zählung der Zuschauer wegen der Doubleheader? So kann man das nicht sehen. Zu viele Teams, die das Niveau gar nicht haben, um eine WM zu spielen? Ansichtssache.

Nur beim Abschneiden des kanadischen Teams seien die Erwartungen nicht hundertprozentig erfüllt worden. Die kanadische Torhüterin Karina Le Blanc sieht das ähnlich. „Als ich vor 18 Jahren begann, Fußball zu spielen, hatte ich acht Zuschauer, heute 50.000. Für die jungen Fußballerinnen war die WM in Kanada eine große Hilfe. Die werden jetzt respektiert.“

Mit ihrem Verband habe sie Glück, sagt sie. „Die hören auf uns.“ Wenn die Fifa in Zukunft wenigstens ein bisschen auf die FIFPro hören würde, könnte diese WM ein weiterer Schritt zur Gleichberechtigung gewesen sein.

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