Berliner Wochenkommentar I: Druck von links auf Linke

Stadtpolitische Gruppen haben den Senat mit den Hausbesetzungen in Bewegung gebracht. Sie könnten die Politik weiter vor sich hertreiben.

Jungen Leute sitzen vor einem Haus, in der Haustür steht ein Polizistavor, vor der Haustär

Besetzung mit Folgen: Am Pfingstsonntag räumte die Polizei die Bornsdorfer Straße 37 in Neukölln Foto: dpa

Die um ihr Ansehen in der außerparlamentarischen Linken stets bemühten wie besorgten Politiker der Linkspartei haben vor und auch seit Eintritt in die Landesregierung wiederholt betont: Sie wünschen sich weiter Druck aus den sozialen Bewegungen. Das klingt ehrenwert bürgernah. Dennoch wird man annehmen dürfen, dass Lederer, Lompscher und Co nicht ganz unglücklich darüber waren, bislang noch nicht allzu viel Gegenwind aus dieser Richtung bekommen zu haben.

Mit der Hausbesetzungsaktion vom Pfingstsonntag hat sich das schlagartig geändert. Der erzeugte Druck wirkte auch in dieser Woche weiter nach. Die polizeiliche Räumung des Hauses in Neukölln wurde von Seiten der Bewegung vor allem der Linkspartei vorgehalten. Während sich Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher eher bedeckt gehalten hat, sind viele andere in der Partei seitdem ganz eifrig dabei, die Scherben aufzuräumen. Einstimmig verurteilte der Landesvorstand die Räumung und forderte das Ende der „Berliner Linie“. Statt innerhalb von 24 Stunden zu räumen, solle verhandelt werden, schrieb die Parteivorsitzende Katina Schubert diese Woche in einem Zeitungsbeitrag. Die Besetzer bräuchten Straffreiheit und „politische Unterstützung“.

Fachpolitiker gruben aus, dass die „Berliner Linie“ bei ihrer Einführung 1981 auch bedeutete, bereits besetzte Häuser zu legalisieren, Schatten-Staatssekretär Andrej Holm brachte als Gegenmodell Leitlinien aus Zürich ins Gespräch. Dort darf nur geräumt werden, wenn vom Eigentümer eine baldige Nutzung des Leerstands nachgewiesen werden kann beziehungsweise eine Baubewilligung vorliegt. Am Dienstag einigte sich der Koalitionsausschuss: Diese Erfahrungen sollen nun in Berlin ausgewertet werden. Dass auch die SPD sich diesem Vorgehen nicht versperrt, hat womöglich damit zu tun, dass laut einer Umfrage die Mehrheit der Berliner Besetzungen ganz okay findet.

Einig wurde man sich in der Runde zudem darin, stärker gegen Leerstand vorzugehen. Eigentümer sollen ausfindig gemacht werden, die Bezirke können dafür zusätzliches Personal erhalten. Den Bewegungslinken ist es damit gelungen, die Politik erfolgreich vor sich herzutreiben. Wenn sie daraus lernen, dass Druck auf die Linkspartei zu tatsächlicher Änderung der Senatspolitik führen kann, könnte der Wind von links bald schärfer wehen.

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