Berliner CDU interpretiert Gewaltstatistik: Ganz große Nummer

Laut Frank Henkel ist die Gefahr, Opfer einer Gewalttat zu werden, unter seiner Regentschaft um die Hälfte gesunken. Das stimmt so nicht.

Starke Zahl, leicht übertrieben: screenshot der CDU-Wahlkampfseite „starkes.berlin“ Foto: taz

BERLIN taz | Die führenden CDU-Innenpolitiker haben offenbar zunehmend Probleme mit Prozentzahlen. Erst kürzlich hatte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere zugeben müssen, dass Zahlen über die Krankschreibung von Flüchtlingen völlig aus der Luft gegriffen hatte. Nun hat auch Frank Henkel, Berlins Innensenator und CDU-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl im September, sein Prozentproblem. Wie sich in der Juni-Ausgabe des Polittalks Brinkmann & Asmuth auf tv.berlin herausstellte, hat Henkel bei seiner politischen Eigenbilanz maßlos übertrieben.

Auf der CDU-Wahlkampfhomepage Starkes Berlin heißt es zum Thema „Sicher Leben“: „Seit die CDU in Berlin mitregiert, ist unsere Stadt sicherer geworden.“ Und weiter: „Um knapp 50 Prozent ist die Wahrscheinlichkeit gesunken, Opfer einer Gewalttat zu werden.“

Von taz-Redakteur Gereon Asmuth, einem der beiden Moderatoren der monatlichen TV-Talksendung, darauf angesprochen, machte sich Henkel die Zahl zu eigen. „Das sagt die Polizeiliche Kriminalstatistik, das ist so“, erklärte der Innensenator.

Dort aber stehen ganz andere Zahlen, wie Asmuth im Folgenden darlegte. Zwar ist die Zahl der Gewaltdelikte in Berlin tatsächlich zurückgegangen. So gab es im Jahr 2015 rund 12 Prozent weniger Morde als im Jahr 2011, als Henkel Innensenator wurde. Ähnlich stark sank die Fallzahl im Bereich Raub. Rohheitsdelikte und Körperverletzungen gingen laut Kriminalstatistik aber lediglich um 3 bis 4 Prozent zurück. Straftaten gegen sie sexuelle Selbstbestimmung nahmen sogar um ein Prozent zu.

Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Gewalttat zu werden, wird in der Kriminalstatistik mit der sogenannten Bevölkerungsgefährdungszahl gemessen. Sie gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner einer Stadt binnen eines Jahres Opfer einer Gewalttat werden. Sie lag 2015 bei 2.217 und damit immerhin auch 7 Prozent unter dem Niveau von 2011.

All das seien eigentlich auch keine schlechten Zahlen für die Bilanz eines Innensenators, betonte Moderator Asmuth. Allerdings sind sie weit entfernt von den 50 Prozent, für die sich die CDU feiert. Warum Henkel und seine Partei bei ihrer Wahlkampagne dennoch um etwa das Siebenfache übertreiben, konnte Henkel in der Sendung nicht beantworten: „Das muss ich nachliefern“.

Eine Erklärung für die Diskrepanz kommt später von Stefan Sukale, dem Sprecher des Innensenators. Die Zahl 50 Prozent sei nicht neu, betont Sukale, die habe Henkel schon bei der Vorstellung der Kriminalstatistik im Februar präsentiert. Tatsächlich wurde Henkel damals von der Nachrichtenagentur dpa mit dem Satz zitiert, „die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Gewalttat zu werden, hat sich gegenüber dem Jahr 2007 praktisch halbiert“. Henkel wurde aber erst Ende 2011 Innensenator. Die Hälfte des Rückgangs könnte sich also sein Amtsvorgänger Ehrhart Körting (SPD) zugute schreiben.

Zudem, gibt Sukale zu, ist nicht für alle Berliner die Gefahr gesunken, Opfer einer Gewalttat zu werden, sondern lediglich für die unter 21-Jährigen. Bei denen ging die BGS tatsächlich um etwa 45 Prozent zurück. Aber auch nur, wenn man auch hier bis zum Höchststand im Jahr 2007 zurückrechnet. Seither fällt die Zahl nahezu kontinuierlich, völlig unabhängig davon, ob der Innensenator von der CDU oder von der SPD gestellt wurde.

Gina Schmelter, Sprecherin des CDU-Landesverbandes, gesteht schließlich den Fehler ein. „Wir waren da unpräzise“, sagt Schmelter. Der Zahl auf der Homepage werde schnellstmöglich geändert.

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