Berliner AfD in den Bezirken: Zuständigkeit: entlaufene Katzen

In manchen Bezirken darf die AfD seit der Wahl vor einem Jahr mitregieren und stellt Stadträte. Der Umgang mit ihnen ist weiterhin umstritten.

Werbeballons der AfD

Die Arbeit der AfD in den Bezirken ist weitgehend eine Luftnummer Foto: dpa

Der Einzug der AfD ins Abgeordnetenhaus erregte vor einem Jahr viel Aufmerksamkeit. Eine bundesweite Neuerung brachte die Berlin-Wahl jedoch an anderer Stelle: In sieben Bezirken verschafften sich die Rechtspopulisten durch ihre Wahlergebnisse das Anrecht auf einen Posten im Bezirksamt, und damit die bundesweit bislang nur sehr seltene Möglichkeit, nicht nur Opposition zu sein, sondern tatsächlich mitzuregieren – wenn auch nur auf Bezirksebene.

Hitzige Debatten in den betroffenen Bezirken waren die Folge: Wie umgehen mit diesem Anspruch der AfD? Sollen die neuen Stadträte mit dem normalen Aufgabenumfang betraut werden, vielleicht auch in der Hoffnung, dass sie aufgrund mangelnder Sachkompetenz scheitern werden? Oder sollen ihre Ressorts möglichst klein gehalten werden und muss sichergestellt sein, dass die AfDler auf möglichst wenig Bereiche im Bezirk tatsächlich Einfluss nehmen können?

Große Erfolge? Fehlanzeige.

Ein Jahr später fällt die Bilanz der sieben AfD-Stadträte unterschiedlich aus – große Erfolge für sich verbuchen konnte aber niemand von ihnen.

Im Osten stark Die AfD konnte bei der Bundestagswahl ähnliche Ergebnisse für sich verbuchen wie bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus vor einem Jahr: Stark ist die Partei weiterhin vor allem im Osten und in den Randbezirken. Ihr bestes Ergebnis konnte die Partei erneut in Marzahn-Hellersdorf einfahren. Die de­mo­s­ko­pisch herausstechenden Merkmale der AfD-Hochburgen sind nach Auskunft der Landeswahlleiterin die vielen älteren Menschen, der sehr kleine Ausländeranteil und die geringe Religionsbindung.

Direkt keine Chance Von einem Direktmandat war die Partei dennoch weit entfernt. Zu fest sitzen in den Bezirken, in denen die AfD stark ist, die KandidatInnen der Linken im Sattel: In Marzahn-Hellersdorf landete die AfD-Direktkandidatin Jeannette Auricht zwar nur knapp hinter der CDU-Landeschefin Monika Grütters auf Platz 3, von der Linken-Kandidatin Petra Pau auf dem Spitzenplatz trennten sie jedoch satte 15 Prozent. Zweitstimme AfD, Erststimme Linke: In den östlichen Bezirken offenbar eine weit verbreitete Wahlentscheidung. (mgu)

Ärger hatte es zu Beginn bereits um die Besetzung der Posten gegeben: In Lichtenberg und Pankow hatte die AfD mit Wolfgang Hebold und Nicolas Seifert zunächst Kandidaten aufgestellt, die die anderen Fraktionen aufgrund politischer Entgleisungen und mangelnder Sachkenntnis für so unwählbar hielten, dass sie Wahlgang für Wahlgang scheiterten. Hier stellte die Partei schlussendlich andere Kandidaten auf.

In Neukölln schaffte es der ebenfalls umstrittene Bernward Eberenz am Ende nur knapp auf den Posten. Im Juli trat er dann aus der AfD aus. Da der Pankower Ersatzkandidat und frühere CDU-Politiker Daniel Krüger der AfD nie beigetreten war, sind es damit nur noch fünf Stadträte, die auch tatsächlich Parteimitglieder sind.

In den meisten Bezirken entschied man sich dafür, die Ressorts der AfD-Stadträte so klein wie möglich zu halten: Frank Elischewski darf sich in Lichtenberg als Leiter für regionalisierte Ordnungsaufgaben um entlaufene Tiere sowie die Beseitigung von Autos ohne gültiges Kennzeichen kümmern. In vielen anderen Bezirken haben die AfDler das Umwelt- oder das Ordnungsamt unterstellt bekommen – Bereiche mit sehr begrenzten gestalterischen Möglichkeiten.

Mangelnde Präsenz

Daran gibt es allerdings auch Kritik: In mehreren Bezirken äußern Bezirksverordnete, die sich damit aber nicht namentlich zitieren lassen wollen, ihren Unmut über den bezirksamtlichen Umgang mit den AfD-Kollegen. Weil diesen kaum Verantwortung übertragen wurde, hätten sie eben auch kaum Arbeit und müssten vor allem keine Konflikte austragen, heißt es dort. „Die anderen Stadträte können vor Arbeit nicht mehr geradeaus schauen und haben ein Problemfeld nach dem anderen zu bearbeiten, während die AfD sich fein raushalten kann“, formuliert es ein Verordneter.

In den meisten Bezirken entschied man sich dafür, die Ressorts der AfD-Stadträte so klein wie möglich zu halten.

Klagen über mangelnde Präsenz der AfD-Stadträte sind über Bezirks- und Fraktionsgrenzen hinweg ebenfalls weit verbreitet: „Da Herr Elischewski uns, anders als üblich, keinen Bericht erstattet, ist nach wie vor völlig unklar, was er eigentlich tut“, sagt etwa die Lichtenberger Verordnete Camilla Schuler (Grüne). Auch in Marzahn-Hellersdorf heißt es, Stadtrat Thomas Braun sei in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) kaum präsent.

Von vielen AfD-Stadträten heißt es, sie würden sich hinter ihren Verwaltungen verstecken. „Von dem angekündigten großen Erneuerer fehlt bisher jede Spur“, sagt auch der Spandauer CDU-Verordnete Thorsten Schatz mit Verweis auf den dortigen AfD-Stadtrat Andreas Otti.

Beim Blick auf die Bezirksparlamente – die AfD schaffte 2016 den Einzug in alle zwölf – bietet sich ein unterschiedliches Bild. In einigen Bezirken zeichnen sich die AfDler vor allem durch Unauffälligkeit auf. Die AfD-Fraktion arbeite mit, sagt der Spandauer CDU-Verordnete Schatz, ein übergeordnetes Motiv sei dabei aber nicht zu erkennen.

Protest reißt nicht ab In Berlin kümmern sich weiterhin gleich mehrere Gruppen und Bündnisse um den Protest gegen die Rechtspopulisten, etwa das Berliner Bündnis gegen Rechts oder das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus.

Next Stop Hannover Der nächste große Protesttermin findet allerdings nicht in Berlin statt: Wenn die AfD am ersten Dezemberwochenende in Hannover zum Bundesparteitag zusammenkommt, soll das von Protesten begleitet werden. Auch aus Berlin sind bereits mehrere Busse mit DemonstrantInnen angekündigt.

Kritik im Parlament Auch im Abgeordnetenhaus gibt es immer wieder Appelle gegen die Normalisierung der Partei. Kritik gab es in diesem Zusammenhang vor allem im letzten März, als CDU und FDP gemeinsam mit der AfD einen Antrag einbrachten. Ein bis dahin bundesweit einmaliger Vorgang, der auch in Berlin bislang ein Einzelfall blieb. (mgu)

In Pankow sei es um die AfD völlig ruhig geworden, sagt der BVV-Vorsteher Michael van der Meer (Linke): „Die melden sich kaum zu Wort, schreiben selten Anträge und nehmen auch die Plätze in der Gremienarbeit, die ihnen zustehen, fast nie wahr.“ In Pankow, wo das Drama um die Besetzung des AfD-Stadtratspostens wochenlang für Wirbel sorgte, ist der Unterschied nun besonders groß.

Die beiden Bezirksverbände, insbesondere der Spandauer, gelten als vergleichsweise moderat. Woanders liefern die BVV-Fraktionen ein anderes Bild: „Die zünden hier in jeder Sitzung ein wahres Populismus-Feuerwerk“, erzählt die Lichtenberger Grüne Camilla Schuler. Die BVV werde von der Fraktion als Bühne vor ihrem mitgebrachten Publikum benutzt, auch in den zahlreichen Anfragen sei die rechtspopulistische Stoßrichtung klar zu erkennen. Ähnliches berichtet die SPD-Verordnete Mirjam Blumenthal aus Neukölln: Von einer mangelnden Präsenz der AfDler könne keine Rede sein, ganz im Gegenteil. Dabei komme es auch immer wieder zu verbalen Entgleisungen, erst neulich sei sie selbst als „linke Zecke“ beschimpft worden.

Allerdings: Fachliche Kompetenz brächten die AfD-Verordneten nur in Ausnahmefällen mit, dementsprechend seien sie in den Ausschüssen auch weniger stark präsent. Auch bei den gerade anstehenden Haushaltsverhandlungen heißt es aus vielen Bezirken, die AfD halte sich auffallend zurück, eigene Themen oder Projekte seien kaum zu erkennen.

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