Berlinale eröffnet mit „My Salinger Year“: Herumlungern verboten

Die Berlinale eröffnet mit Philippe Falardeaus „My Salinger Year“ (Berlinale Special). Vor allem Sigourney Weaver macht darin eine gute Figur.

Eine Frau mit Zigarette steht vor einer Holzwand, eine Frau im Hintergrund sitzt im Nebenzimmer am Schreibtisch.

Knorriges Holz: Margaret (Sigourney Weaver) und Joanna (Margaret Qualley) Foto: micro_scope

Es soll ja Menschen geben, die haben „The Catcher in the Rye“ nicht gelesen, dieses Buch zum Noch-nicht-Erwachsen-Werden von J. D. Salinger, zu Deutsch „Der Fänger im Roggen“.

Joanna (Margaret Qualley) will Schriftstellerin werden. Ihr Studium in Berkeley schmeißt sie hin, um sich in New York zu versuchen. Zum Geldverdienen beginnt sie, als Assistentin bei einer Literaturagentin zu arbeiten. Die vertritt unter anderem Salinger. Im Vorstellungsgespräch fällt dann oft der Name Jerry. Unter keinen Umständen Jerrys Adresse weitergeben, und wenn er anrufe, sofort der Chefin Bescheid sagen, sofern sie gerade nicht da ist.

Joanna nickt zu allem. Als sie nach erfolgreicher Bewerbung die Agentur verlässt, fällt ihr Blick auf mehrere Buchtitel von J. D. Salinger: „Oh, der Jerry!“, sagt sie zu sich. Sie hat bisher keines seiner Bücher gelesen.

„My Salinger Year“, der Eröffnungsfilm der Berlinale, ist eine Literaturverfilmung des kanadischen Regisseurs Philippe Falardeau nach dem gleichnamigen autobiografischen Roman von Joanna Rakoff. Es ist eine dieser Geschichten von großen Erwartungen, dem Bedürfnis, ein writer in New York zu sein, mit allen Klischeevorstellungen, die sich damit verbinden: tagsüber in Boheme-Cafés sitzen, nachts in billigen Apartments hausen und einen Roman schreiben.

21. 2., 10.30 Uhr, Friedrichstadtpalast

21. 2., 21.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele

Demgegenüber steht die Realität des ebenfalls leicht stereotypen New Yorker Berufsalltags: Effiziente Professionalität herrscht bei der Literaturagentin Margaret, und die ist so geradeheraus und knapp, wie ein Boss es nur sein kann. Joanna hält es trotz einiger Anfangsschwächen und kleinerer Fehler aus.

Unterkühlt und barsch

Margaret wird gespielt von Sigourney Weaver, und das ist einer der Hauptgründe, diesen Film anzusehen. So unterkühlt und barsch, wie sie Joanna herbeizitiert und wieder aus dem Büro herauskomplimentiert, dabei zugleich durchblicken lässt, dass sie menschlich zu mehr in der Lage ist, als Befehle zu erteilen, möchte man sie fast selbst zur Chefin haben.

„My Salinger Year“ ist ein gediegener Film, zu dessen Reizen neben dem Auftritt Sigourney Weavers auch das Zusammentreffen zweier Arten von steifer Körperlichkeit gehört: das leicht Eingekapselte von Weavers Margaret und die juvenile, postpubertäre Statik in der Körpersprache von Margaret Qualleys Joanna. Auch die Momente, in denen sich Joanna, die Salingers Fanpost zu beantworten hat, sich die Verfasser der Briefe vor ihrem geistigen Auge vorstellt und mit ihnen teils tagtraumartige Dialoge führt, haben ihren Witz.

Falardeau offenbart zugleich eine kommunikationstechnologische Nostalgie, wenn er Margaret im Jahr 1995 als Befürworterin von Schreibmaschinen und Diktiergeräten präsentiert, die in ihrem Büro nach langem Zögern einen einzigen Computer duldet. Der darf lediglich für Recherchen im Internet genutzt werden, und über seinem Bildschirm klebt demonstrativ das Verbot „No Loitering“ – Nicht herumlungern.

Das ist lustig, aber ganz im Stil des restlichen Films zu lieb und rund gemacht. Wie auch Margarets Büro, dessen Inneneinrichtung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu stammen scheint, wirkt er auf nicht allzu anregende Weise aus der Zeit gefallen.

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