Berlin und die Wahl: Eine Frage der Prozente

Läuft es schlecht für die SPD, verschwindet ihr Rot am Sonntag erstmals ganz von der Berliner Wahlkreiskarte. Klaus Wowereit hat jedoch schon vorgebeugt.

Berlins Regierender Bürgermeister Ende August 2013 im Abgeordnetenhaus. Bild: dpa

Es kann peinlich werden für die SPD, sehr peinlich sogar. Denn es ist möglich, dass die Berliner Sozialdemokraten, die Partei Willy Brandts, am Sonntag ohne einen einzigen gewonnenen Wahlkreis in der Stadt bleiben. Damit stünden sie vor der Frage, wer eigentlich schuld daran ist. Der bundesweite Spitzenkandidat? Der Berliner SPD-Chef? Der mit dem Pannenflughafen beladene Regierende Bürgermeister? Oder schlicht wenig charismatische Kandidaten?

Zwar sieht die jüngste Meinungsumfrage die hiesige SPD bei der Bundestagswahl nicht mehr bei jenen katastrophalen 19 Prozent, bei denen sie noch Ende August lag. Nach Prognose der taz – auf Basis von früheren Wahlergebnissen, aktuellen Umfragewerten und Strahlkraft der Kandidaten – kann sie sich dennoch weiter nur in zwei der zwölf Berliner Wahlkreise, die weitgehend mit den Bezirken identisch sind, realistische Chancen ausrechnen: in Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf.

Ansonsten sind die Aussichten der Sozialdemokraten mau. Mindestens fünf Direktmandate, also gewonnene Wahlkreise, wird die CDU über die Erststimme verbuchen können, vier die Linkspartei. Eines wird Hans-Christian Ströbele in Kreuzberg für die Grünen holen.

Vorbei scheint immerhin das Szenario, dass die SPD bei den Zweitstimmen noch schlechter abschneiden könnte als bei ihrem historischen Bundestagswahl-Tief 2009. Da rutschte sie auf 20,2 Prozent ab und lag im Berliner Parteien-Ranking nicht nur hinter der CDU, sondern auch noch, wenn auch nur um wenige hundert Stimmen, hinter der Linkspartei.

Dem seit eineinviertel Jahren amtierenden Landesvorsitzenden Jan Stöß, der die Berliner SPD auf Linkskurs steuert, werde man ein schlechtes Abschneiden eher nicht ankreiden, war aus der Partei zu hören. Dann schon eher dem Spitzenkandidaten Peer Steinbrück – und Klaus Wowereit wegen seiner Rolle bei der Blamage mit dem Flughafen BER. Der aber hat schon vorgebaut. Der taz sagte er bereits im Juni: „Es gibt immer eine gemeinsame Verantwortung. Wer glaubt, einem anderen etwas in die Schuhe schieben zu können, wird keinen Erfolg haben.“

Werden Köpfe rollen?

Vieles hängt von einer einfachen Rechnung ab: Wird die Berliner SPD mehr verloren oder weniger hinzugewonnen haben als die Sozialdemokraten bundesweit? Dann wäre das kaum Peer Steinbrück zuzuschreiben, sondern den hiesigen Parteigrößen. Köpfe müssen dann trotzdem nicht unbedingt rollen: 2009 wurde der erfolglose Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier neuer Fraktionschef im Bundestag und Wowereit als prominentester Vertreter der noch erfolgloseren Berliner Genossen neuer Vizechef in der verkleinerten Spitze der Bundes-SPD.

Schaffen es die Sozis zumindest in ihrem aussichtsreichsten Wahlkreis Mitte zu gewinnen und damit auf der politischen Berlinkarte vertreten zu bleiben, sind es die Grünen, die noch dümmer da stehen. Denn die hatten sich ziemlich laut Chancen in fünf Wahlkreisen ausgerechnet – also fast jedem zweitem in Berlin. Der äußerst negative Bundestrend aber dürfte ihre Chancen auf Mitte beschränken. Dort hat ihr Kandidat Özcan Mutlu seiner Partei versprochen, er als Türkeistämmiger könne tausende Wahlberechtigte mit Migrationshintergrund mobilisieren, die bislang nicht wählten.

Ohne Sieg in Mitte geht es für die Grünen aus wie bei der Berlinwahl 2011, bei der sie sich schon im Roten Rathaus sahen, am Ende aber in der Opposition blieben: Alles bleibt beim Alten – bei einem einzigen Direktmandat in Friedrichshain-Kreuzberg.

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