Bericht der Amadeu Antonio Stiftung: Rechte stehen oft unbehelligt da

In vielen deutschen Städten erfahren Vereine gegen rechts Ablehnung statt Unterstützung. Aus Opfern werden Täter gemacht, sagt die Amadeu Antonio Stiftung.

In vielen deutschen Städten wird Engagement gegen Nazis nicht genug unterstützt. Bild: reuters

BERLIN taz | Tikozigalpa heißt das einzige alternative Zentrum im Raum Wismar an der Ostsee. Man würde meinen, dass dessen bunte Projekte von der Stadt willkommen geheißen und unterstützt werden. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die jungen Anti-rechts-Aktivisten des Tikozigalpa fühlen sich in ihrem Kampf gegen Rassismus von den Behörden alleingelassen. Immer wieder griffen Neonazis ihr alternatives Zentrum mit Steinen an – doch von der Polizei würden die Attacken als Kinderstreiche verharmlost.

Das Beispiel ist nur eines von zahlreichen, das die angesehene Amadeu Antonio Stiftung in ihrem Bericht „Kartell der Verharmloser“ schildert, der an diesem Dienstag in Berlin vorgestellt wird. „Opfer rechter Gewalt, Beratungsstellen und Opfervereine kämpfen bundesweit gegen eine Mauer aus Ignoranz und Verharmlosung an“, heißt es in dem Bericht, der der taz vorab vorlag. „In vielen Städten existiert eine Kultur des Wegschauens.“

Für die Untersuchung wurde die ehemalige ARD- und Spiegel-Journalistin Marion Kraske beauftragt. Sie ist durchs ganze Land gereist und hat mit Mitarbeitern von Vereinen und Initiativen gegen Rechtsextremismus gesprochen. Herausgekommen ist ein beklemmendes Bild, in dem aufrechte Kämpfer gegen neonazistische Umtriebe in ihren Städten und Gemeinden als Nestbeschmutzer dastehen.

In einem Fall im sächsischen Limbach-Oberfrohna sei im Kriminalpräventiven Rat von Stadt und Polizei sogar diskutiert worden, wie man den Vorsitzenden eines Demokratievereins, dessen Vereinsheim regelmäßig von rechten Gewalttätern angegriffen wurde, wegen Missbrauchs des Notrufs belangen könne.

„Opfer-Täter-Umkehr“

Von einer vielerorts anzutreffenden „Opfer-Täter-Umkehr“ ist in dem Bericht die Rede. Kraskes Fazit: Immer wieder bagatellisierten deutsche Behörden „rechtsextremen Alltagsterror“ – und das, obwohl alle Parteien nach Auffliegen der rechtsextremen Terrorzelle NSU Ende 2011 beteuert hatten, für das Gegenteil einzutreten. „Wir brauchen eine gesellschaftliche Atmosphäre, die ermutigt, gegen politischen Extremismus und Gewalt das Wort zu erheben“, hieß es in einem einstimmig angenommenen Entschließungsantrag des Bundestags.

Auch finanzielle und bürokratische Hürden würden Initiativen, die sich für Demokratie und gegen Rassismus engagierten, in den Weg gestellt, so der Bericht der Amadeu Antonio Stiftung. Typisch für solche Initiativen sei es, dass sie sich von einer Finanzierung zur nächsten hangeln müssten. Von einem permanenten Kampf ums Überleben berichte die sächsische Opferberatungsstelle Move.

Gleichzeitig hat der bürokratische Aufwand in den vergangenen Jahren zugenommen. Der Thüringer Beratungsverein Mobit berichtet, dass inzwischen eine von sechs Stellen dafür draufgehe. „Das bindet Kräfte und blockiert unsere eigentliche Beratungstätigkeit“, wird eine Vereinsvertreterin zitiert.

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