Bayer Leverkusens Traumstart: Die Details sitzen

Ausgeklügelte Hochgeschwindigkeitskonter, eine gereifte Innenverteidigung und vorne Stefan Kießling: Bayer Leverkusen hat den nächsten Schritt gemacht.

Als Torwart gegen Bayer Leverkusen zu spielen, macht keinen Spaß Bild: ap

LEVERKUSEN taz | Es ist ein seltsames Ritual, das sich in den vergangenen Monaten nach Spielen von Bayer Leverkusen etabliert hat. Wenn Stefan Kießling vor die Journalisten tritt, wird erst kurz über die Partie geplaudert, der Vereinsrekord von saisonübergreifend nunmehr acht Siegen sei eine „Superserie“, erklärte der Stürmer nach dem herrlich anzusehenden 4:2 gegen Borussia Mönchengladbach.

Aber nach so einem unverfänglichen Auftakt, muss der arme Mann doch wieder über das Thema reden, über das es eigentlich nichts mehr zu sagen gibt. Erst vor den Mikrophonen von Sky, dann bei der ARD, dann beim ZDF, und schließlich im Fachgespräch mit den Zeitungsleuten, wo ihm am, Samstag der Kragen platzte. „Ich habe gesagt, für mich ist die Sache durch, ich komme damit klar, für mich ist das okay, und alles was bei der WM ist interessiert mich einen völligen Käse“, schimpfte er angesichts seiner Aussichten, noch einmal fürs Nationalteam zu spielen.

Bundestrainer Joachim Löw war an diesem Nachmittag persönlich zugegen und sehr angetan von diesem Fußballspiel. „Beim nächsten Doppelspieltag wird sich der eine oder andere, der heute dabei war, in unserem Kader wieder finden“, kündigte er an, aber vermutlich meinte er nicht Kießling, sondern Lars Bender, Max Kruse und vor allem den großartigen Sidney Sam.

Man konnte nach der Partie darüber streiten, wer denn nun besser war: Sam, der das 2:0 (28.) und das 3:2 (60.) geschossen hatte, bevor er die Vorlage zu Gonzalo Castros 4:2 gab (72.)? Oder Kießling, der den Handelfmeter zum 1:0 verwandelt (23.), das zweite und das dritte Tor vorbereitete, an den Pfosten köpfte und ein Dutzend weiterer guter Offensivaktionen hatte?

Löw wird seine Meinung dazu haben, wobei das gesamte Leverkusener Kollektiv, bis auf die fünf Minuten, in denen Martin Stranzl (53.) und Juan Arango (57.) per Doppelschlag zum zwischenzeitlichen 2:2 trafen, sehr überzeugend auftrat. „Wir haben nicht nur spielerisch super nach vorne gespielt, sondern auch gekämpft und gerackert“, sagte Kießling, der sein 100. Bundesligator für Leverkusen erzielt hatte.

Keine Lücken im 4-3-3

In Bayers 4-3-3-System fand die vor einer Woche noch gefeierte Gladbacher Offensive praktisch keine Lücken. Und nach Balleroberungen rollen, wie schon im Vorjahr, fein ausgeklügelte Hochgeschwindigkeitskonter über den Gegner hinweg. „Kompakt stehen und dann sehr gut nach vorne spielen, das ist, was wir können“, sagte Sam.

Bayer Leverkusen hat das Erfolgskonzept des Vorjahres verfeinert, die Defensive profitiert, weil das Innenverteidigerduo mit den erfahrenen Emir Spahic und dem gereiften Ömer Toprak bestens harmoniert, weil die Dreifachsechs in der Besetzung Castro/Reinartz/Bender die richtige Balance zwischen Defensive und Offensive findet, und weil Sam neben dem konstant überragenden Kießling einen beachtlichen Entwicklungsschritt gemacht hat.

Trainer Sami Hyypiä findet, dass die „gesamte Mannschaft einen Schritt nach vorne gemacht hat“, und das ist schon eine Ansage, schließlich beendete der Klub die Vorsaison als Dritter, nur einen Punkt hinter Borussia Dortmund.

Trio im besten Fußballeralter

In Leverkusen, wo sie in den vergangenen Jahren immer davon gesprochen haben, vor allem auf junge deutschen Spieler setzen zu wollen, hat sich ein leiser Paradigmenwechsel vollzogen. Am Samstag war Toprak mit 24 Jahren der Jüngste in der Viererkette, davor spielte mit Castro (26), Lars Bender (24) und Stefan Reinartz (24) ein Trio im besten Fußballeralter, das insgesamt über die Erfahrung von 468 Bundesligaspielen verfügt. Kießling (29) vorne ist ohnehin ein Routinier, die 21-jährigen Bernd Leno und Heung-Min Son sind derzeit die jüngsten Stammspieler.

Vor allem aber, sitzen die Details. „Wir haben das System verinnerlicht, weil wir das schon in der letzten Saison genau so gespielt haben“, meinte Sam, „die Automatismen sind da“. Es eine Spielidee, die im Vorjahr von Hyypiä und dem in die Jugendabteilung zurückgekehrten Sascha Lewandowski entwickelt wurde.

Und jetzt trauen sie sich sogar zu, ganz oben mitzuspielen, wie Stefan Reinartz andeutete: „Dass wir auf Mannschaften wie Wolfsburg oder Schalke schon ein kleines Polster haben, ist sehr gut“, sagte der Mittelfeldspieler. „Wir haben nur gehofft, dass die Bayern und Dortmund nicht von Anfang an mitmarschieren.“

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