Bauhistoriker Gert Kähler über die neue U-Bahn: "Kein angenehmer Ort"

Hauptaufgabe einer U-Bahn-Station sei, die Menschen von der Finsternis abzulenken, sagt Bauhistoriker Gert Kähler.

Feierlich eröffnet: die neuen Stationen für die U 4. Bild: dpa

taz: Herr Kähler, wie gefallen Ihnen die Fotos der neuen U-4-Stationen, die am Mittwoch feierlich eröffnet wurden?

Gert Kähler: Beim „Überseequartier“ versuchen die Architekten auf die Unterwasser-Situation einzugehen, indem sie Kacheln am Boden dunkelblau und nach oben immer hellblauer werden lassen. Diese Idee finde ich gut. Bei der Hafencity-Universität wirken die Leuchtkörper an der Decke wie Container, was zur maritimen Umgebung passen würde. Weiteres möchte ich erst sagen, wenn ich die Stationen selbst gesehen habe.

Aber ist U-Bahn-Stations-Ästhetik nicht der Versuch, ein Gefängnis schön zu machen?

Das würde ich so nicht sagen. Natürlich ist eine unterirdische U-Bahn-Station kein besonders angenehmer Ort. Aber die Aufgabe des Architekten ist, ihn angenehm zu machen.

Die Chancen dafür stehen schlecht, nicht wahr?

Mit einem symbolischen Knopfdruck hat Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch die U 4 in die Hafencity eröffnet. In fünf Jahren sind für 330 Millionen Euro vier Kilometer Schienen vom Hauptbahnhof zu den Stationen "Überseequartier" und "Hafencity-Universität" verlegt worden. Am Donnerstag beginnt in Billstedt der Schnupperbetrieb der Linie, die man bis zum 8. Dezember kostenlos nutzen kann.

Während Scholz jubelte, dass Hamburg durch Mobilität zusammenwachse, sah Heide Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, keinen Grund zur Freude. Der Senat habe mehrere Versprechen nicht eingehalten: Erstens sei die U 4 einst als Anbindung Steilshoops an die Hafencity geplant gewesen, und die Steilshooper blieben durch die verkürzte U 4 wieder mal außen vor. Zudem seien in der Hafencity inzwischen mehrere Investoren abgesprungen - dabei hätten sie ihr Engagement vom Bau der U 4 abhängig gemacht. (dpa/taz)

Nein. Denn Architektur kann ja auch unbewusste emotionale Wirkungen erzielen. Bei der U-Bahn-Station muss ich die Leute davon ablenken, dass sie tief unter der Erde sind. Da ist es ein großer Unterschied, ob ich die Wände schwarz streiche oder weiß.

Reißen sich Architekten eigentlich darum, U-Bahn-Stationen zu entwerfen?

Nein. Solch eine Station ist ein Zweckbau und wird oft auch finanziell so behandelt. Aber der Architekt kann schon etwas ausdrücken. Die S-Bahn-Station Hammerbrook gleicht einem Zug. Und die Station Rödingsmarkt wurde aus der Konstruktion der Hochbahnstrecke entwickelt, betont also die technische Errungenschaft „Hochbahn“.

Manche Stationen sind sehr konträr: Die „Hallerstraße“ am Rotherbaum zieren gemalte Tennisspieler. Aber die „Reeperbahn“ hat rote Wände samt schlamm-artigem Bodenmuster. Spiegelt dieser Unterschied das Image des Stadtteils?

Ausschließen kann ich es nicht; ich vermute aber eher Gedankenlosigkeit. Wobei es bei der Hallerstraße wohl einen Wettbewerb gab, während die Bahnhöfe der 60er, 70er Jahre vor allem praktisch sein mussten.

Hell und gekachelt.

Ja. Und die Idee, dass die Kachel sauber wirkt, spielt sicher hinein. Vermutlich auch die Komponente: „Wir müssen das gut reinigen können.“

Gibt es eine ästhetische Weiterentwicklung des Hamburger U-Bahn-Stationen-Baus?

Es gibt eine Geschichte. Ob es eine Weiterentwicklung im Sinne einer Verbesserung ist, darüber kann man streiten. In den 20er Jahren hat der Architekt Karl Schneider zum Beispiel Teile der sehr gelungenen Station „Kellinghusenstraße“ entworfen. Auch nach 1945 gab es Versuche, U-Bahn-Stationen ästhetisch ansprechend zu gestalten. Ob wir sie heute als gelungen empfinden, ist eine andere Frage.

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