Basketball-Profi Tim Ohlbrecht: „Wirklich in der NBA, Wahnsinn“

Er galt lange als ewiges Talent – jetzt spielt Tim Ohlbrecht in der NBA. Er sieht sich nicht als Nowitzki-Nachfolger, sondern will „die kleinen Dinge machen“.

Zwei Deutsche in der NBA: Tim Ohlbrecht (l.) und Dirk Nowitzki. Bild: dpa

BERLIN taz | Fünf Minuten und 37 Sekunden waren noch zu spielen, das Spiel war lange schon entschieden, die sogenannte Garbage Time war angebrochen. Zeit für jene Spieler, die nie zum Einsatz kommen, wenn es um etwas geht, Gelegenheit für die Bankdrücker, doch noch ein paar Punkte zu erzielen, ein paar Rebounds zu sammeln, sich zu empfehlen. Gewöhnlich jedenfalls nicht die Zeit für historische Augenblicke, aber für Tim Ohlbrecht gerade gut genug, ein paar Minuten zu spielen. Die ersten in seiner persönlichen NBA-Geschichte.

Man muss sehen, ob aus diesem ersten Schritt noch eine große Karriere wird. Ohlbrecht, 24-jähriger Basketball-Profi aus Wuppertal und neu unter Vertrag bei den Houston Rockets, ist erst der achte Deutsche, der in der NBA auflaufen durfte. Das Schicksal wollte es so, dass er es vor den Augen des besten Deutschen tat, der bislang in der NBA spielte.

Zum direkten Aufeinandertreffen mit Dirk Nowitzki war es allerdings nicht gekommen. Die Dallas Mavericks hatten, als Ohlbrecht aufs Spielfeld geschickt wurde, ein einseitiges Spiel längst aufgegeben, ihr Star auf der Bank Platz genommen.

Am Ende hatte Ohlbrecht mit den Rockets 136:103 gewonnen, der deutsche Neuling hatte drei Punkte, einen Rebound und einen Assist auf der Habenseite, er hatte ein Foul begangen und einen Ballverlust verursacht. Wichtig war das nicht. Wichtig war, dass sich der 24-Jährige den Traum erfüllt hatte, den wohl jeder Basketballer träumt: in der NBA, der besten Liga der Welt, zu spielen.

Rundum-sorglos-Paket

Das genießt Ohlbrecht sichtlich: „Ich wache jeden Morgen auf und denke: Ich bin jetzt wirklich in der NBA. Wahnsinn.“ In einer Telefonkonferenz mit deutschen Journalisten erzählte er begeistert, wie er von einem Fahrer jeden Tag in die Trainingshalle kutschiert und dort von einem Koch versorgt wird: „Das ist ein Rundum-sorglos-Paket, man kann sich hier komplett auf den Basketball konzentrieren.“

Ohlbrechts Weg dorthin war außergewöhnlich. Der 2,10 Meter große Center gilt zwar schon lange als großes Talent, aber auch als problematischer Charakter. In sechs Jahren Bundesliga hatte sich der 84-malige Nationalspieler nicht entscheidend entwickelt, also traf er im vergangenen Sommer eine mutige Entscheidung: Statt auf Nummer sicher zu gehen und in der Bundesliga zu bleiben, wagte er den Wechsel in die USA und unterschrieb für deutlich weniger Geld bei den Rio Grande Valley Vipers in Texas.

Die spielen in der sogenannten D-League. Das „D“ steht für „Development“, und die Liga ist so etwas wie der Talenteparkplatz der NBA. Hier sollen Nachwuchsspieler, die noch nicht gut genug für die große Show sind, Erfahrungen sammeln. Ein beschwerlicher Weg in die beste Liga der Welt, den Ohlbrecht nun als Erster gegangen ist. „Ich habe mich durchgekämpft“, sagt er.

Ein Jahr garantiert

Vergangene Woche schon unterschrieb er einen Dreijahresvertrag in Houston, der allerdings nur für diese Saison garantiert ist. Die kommenden beiden Jahre besitzen die Rockets eine einseitige Option auf Ohlbrecht, der nun, wie er sagt, „gut verteidigen, rebounden, die Räume eng machen, die kleinen Dinge machen“ soll.

Ob er dazu in den kommenden Wochen allzu oft Gelegenheit bekommen wird, ist allerdings fraglich. Die Rockets wollen sich für die Playoffs qualifizieren und müssen dazu unbedingt den achten und letzten Platz in der Western Conference verteidigen, den sie momentan innehaben. Dazu brauchen sie jeden Sieg – auch heute Nacht, wenn sie schon wieder auf die Mavericks treffen, die nur noch theoretische Chancen auf die Meisterschaftsrunde haben.

Ohlbrecht weiß, dass er auch künftig in engen Spielen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum Einsatz kommen wird. Er will „ein bisschen reinschnuppern“ und sich dann „langfristig etablieren“. Ein „nächster Nowitzki“, zu den ihm manches deutsche Medium sofort nach der Vertragsunterzeichnung ausgerufen hatte, wird Ohlbrecht allerdings kaum werden.

Rollenspieler Tim

„Ich bin stolz, wenn man uns beide in einem Satz nennt“, gibt er sich bescheiden, „aber ich bin ein komplett anderer Spieler.“ Allerdings: Ohlbrecht ist kein überragender Schütze wie Nowitzki, sondern ein Wühler unter dem Korb, der aber tatsächlich wohl perspektivisch gute Chancen hat, wie er hofft, „ein Rollenspieler werden, auf den sich der Trainer verlassen kann“.

Das wird allerdings vermutlich noch etwas dauern. Wenn im im April die Playoffs beginnen, werden sowohl Dirk Nowitzki als auch Tim Ohlbrecht vermutlich zusehen müssen. Der eine vor dem Fernseher, der andere aber vielleicht immerhin von der Einwechselbank aus.

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