Bank überrumpelt Seniorin: Beraten und verkauft

Die Commerzbank muss zahlen, weil sie einer Seniorin Anlagen mit langer Laufzeit verkaufte, ohne zu sagen, wie viel sie selbst daran verdiente. Jetzt klagte der Bremer Erbe.

Auch an rumänischen Wäldern beteiligte sich die ältere Dame auf Anraten ihrer Bank. Bild: dpa

BREMEN taz | Helga M. war 86, als sie im großen Stil Unternehmerin wurde: Sie investierte 360.000 Euro. Und zwar langfristig, natürlich auf Anraten der Dresdner Bank, bei der sie seit Jahr und Tag Kundin war. 50.000 Euro etwa legte sie in rumänischen Wäldern an, auch das übrige Geld floß in international verflochtene Unternehmen. Meist ging es um Immobilien, einige davon in Deutschland, Frankfurt beispielsweise, andere in London, wieder andere in den USA. Und überall wurde Frau M. Kommanditistin, also Gesellschafterin – mit dem vollen Risiko, wie das bei Personenunternehmen dieser Art halt so üblich ist. Zurückbekommen hätte sie ihr Geld erst 2021. Wenn überhaupt. Also zu ihrem 100. Geburtstag. 2009 verstarb Frau M., mit 88 Jahren.

Das Landgericht Frankfurt verurteilte die Commerzbank – in der die Dresdner Bank mittlerweile aufging – nun wegen Falschberatung zu Schadensersatz und einer Rückabwicklung des Geschäfts. Ihr Berater hatte vor Gericht zugegeben, dass er die alte Dame gar nicht darüber aufgeklärt hatte, wie viel Provision die Bank für das Geschäft kassiert. Genau das aber hätte er tun müssen, sagt die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Und kassiert hat die Dresdner Bank eine ganze Menge: Neun Prozent der Anlagesumme. Das sind alles in allem über 30.000 Euro.

Konkret geht es um einen Anteil von 40.000 Euro aus der gesamten Beteiligungssumme. Sie flossen in einen geschlossenen Fonds, die European Infrastructure GmbH & Co Nr.1 KG. Geklagt hatte ein Bremer Hochschullehrer, der Erbe von Frau M. Insgesamt sind sechs Fälle anhängig, jedes Mal geht es um die Dresdner Bank. Sie warb damals mit dem Slogan, die „Beraterbank“ zu sein. Nun muss sie dem Erben 41.200 Euro zurückzahlen, plus fünf Prozent Zinsen.

Die deutschen Banken müssen aktuell nicht mehr mit TestkundInnen rechnen, die im Auftrag der Finanzaufsicht Bafin ihre Beratungsqualität prüfen.

Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken werde die Bundesregierung dieses Projekt vorerst nicht weiter verfolgen, teilte kürzlich das Bundesfinanzministerium in Berlin mit.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hatte im Jahr 2010 angekündigt, staatlicherseits verdeckte Ermittler einzusetzen: Die Bafin sollte TestkundInnen in die Bankfilialen schicken, um Falschberatung aufzudecken. Die Idee war im Zuge der Finanzkrise aufgekommen, da zuvor viele VerbraucherInnen schlecht beraten worden waren.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte indes keine ausreichende Gesetzesgrundlage für dieses Vorgehen erkennen können.

Seine Mutter sei eine „konservative Anlegerin“ gewesen, sagt der Erbe, und auf „kurzfristige Verfügbarkeit“ ihres Geldes bedacht – um einen möglichen Heimaufenthalt finanzieren zu können. Das habe sie gar nicht nötig gehabt, sagt die Bank, vielmehr sei Frau M. „in Anlagedingen bis zuletzt auf dem neuesten Stand gewesen“. Und den Wunsch „jederzeit kurzfristig“ an ihr Geld zu kommen – den habe sie „nie“ geäußert. Und für den Fall, dass sie doch mal ins Heim hätte müssen – gab es ja noch eine Rente sowie Mieteinnahmen aus einer Eigentumswohnung. Zur Deckung der laufenden Kosten sei sie auf ihr Vermögen nicht angewiesen gewesen, argumentiert die Bank.

An das wäre sie vor 2021 auch gar nicht rangekommen – eine Kündigung der Firmenbeteiligungen war „praktisch unmöglich“, so das Gericht (Aktenzeichen 2-02 O 183/12). Die Motivation von Frau M. seien die sich bietenden Renditechancen gewesen, sagt die Bank heute. Deswegen habe sie ihr Geld auf 14 Jahre fest angelegt. Und überhaupt habe ja alles im Prospekt gestanden. Der umfasst immerhin 148 Seiten.

Viel verdient hat die Dame indes nicht: Sie erhielt nur eine „Vorzugsausschüttung“ von 800 Euro. Doch nicht all ihre Fondsgeschäfte liefen wohl so schlecht. Worin genau ihr Geld fließen würde, konnte Frau M. eh nicht wissen. Denn mit Infrastrukturfonds wie diesem hat die Anlegerin in eine „Black-Box“ investiert, sagt der Bremer Anwalt André Ehlers, der den Erben vertritt. Und wenn der Wald in Rumänien abbrennen sollte, wären die in ihn investierten 50.000 Euro auch futsch.

Bis 2008 war es bei der Dresdner Bank offenbar nicht üblich, über Provisionen aufzuklären. Dazu sei man erst „irgendwann“ später übergegangen, sagte der Berater vor Gericht. Er habe damit seine Pflichten verletzt, entschied der Richter. Diese Aussage lässt nicht nur den Erben hoffen, der noch andere Bankgeschäfte seiner Mutter tilgen will. „Sie ist auch für zahlreiche andere Anleger von Bedeutung“, sagt Ehlers. Wer in Schiffs-, Lebensversicherungs- oder Immobilienfonds investiert habe, könne die vollständige Rückabwicklung verlangen – wenn die Bank bei der Beratung nicht auf ihre Vergütung hingewiesen habe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.