Badekulturen: Meer geht nicht

Während ein Sprung ins kalte Wasser in Deutschland knappe 3 Euro kostet, legt man dafür im Libanon schon mal 30 Dollar hin. Freibad hier, Privatstrand dort. Zwei Länder, zwei Konzepte, eine verwirrte Deutsche

Gemütlich: VIP-Liegen am VIP-Pool Bild: Stephanie Doetzer

Ich wohne direkt an der Mittelmeerküste. Das Beste am Am-Mittelmeer-Wohnen ist, dass man diesen Satz sagen und die Reaktionen genießen kann. Leider beruht der deutsche Neid auf der deutschen Unwissenheit: Die libanesische Mittelmeerküste ist nicht so wie die spanische Riviera und auch nicht wie Korsika oder Sardinien. Rein theoretisch könnte sie viel toller sein: keine Hotelketten, keine Touristenhorden, kein Clubschiff im Hafen. Rein theoretisch. Praktisch ist sie wieder ganz anders, wobei dabei drei Möglichkeiten zu unterscheiden sind: Entweder der Strand ist zu steil, zu steinig und überhaupt nicht zugänglich. Oder er ist weder steil noch steinig, sondern mit Autos bequem erreichbar. In diesem Fall ist er dann aber kein Strand, sondern eine Müllhalde. Die dritte Möglichkeit heißt Privatstrand und ist so in etwa das Pendant zum deutschen Freibad - zumindest insofern, dass man hingeht, wenn es heiß ist, und dass es dort Wasser gibt, in das man springen kann. Das war’s dann mit den Gemeinsamkeiten.

Während man in Deutschland fünf Runden auf dem Freibadparkplatz dreht, bevor man im letzten Eck und in praller Sonne eine Lücke findet, bremst man im Libanon einen Meter vor der Kasse scharf ab, steigt aus - und wirft den Autoschlüssel einem schon wartenden Boy mit blauem Hütchen zu. Während man sich in Deutschland schweißtropfend mit Strohmappe unterm Arm, Badetuch über der Schulter, Nivea-Sonnenmilch und Picknickausrüstung in den Händen gen Eingang schiebt, sucht der Boy im Libanon nach einem schattigen Platz für dein Auto, während du nur noch überlegen musst, ob du einfach nur "adult" oder doch lieber "VIP" bist. Wer sich für "adult" entscheidet, zahlt rund 20 Dollar. VIPs zahlen 40, haben dafür aber Zugang zum VIP-Swimmingpool, zu den VIP-Strandliegen und der VIP-Poolbar. Gewöhnliche Erwachsene müssen sich mit den drei, vier anderen Pools, weniger fluffigen Strandliegen und nur einer Champagnerbar begnügen. Vorausgesetzt, sie kommen rein.

Während Deutschlands Freibadkassierer vor nichts zurückschrecken und selbst Leute mit Socken in den Sandalen reinlassen, wird an der libanesischen Privatstrandkasse rigoros ausgesiebt: möglichst sexy, möglichst schick, möglichst weiblich. Zwei Männer ohne Frauenbegleitung haben keine Chance, es sei denn, sie können per Handyanruf beweisen, dass ihre Freundinnen drinnen warten. Wahrscheinlich jedoch werden die wartenden Freundinnen von dem Anruf nichts hören, denn innen dröhnt die Partymusik. Inmitten der Strandliegen und Swimmingpools und Palmwedel steht ein DJ, dessen Aufgabe es ist, für kalifornisch-coole Atmosphäre zu sorgen: extatisch tanzende Jugendliche, ohrenbetäubende Musik, sündhaft teure Cocktails.

Um die Mittagszeit stimmt der DJ das Publikum mit Softrock und Latinorhythmen ein, ab zwei Uhr nachmittags folgen Technobeats. Der DJ ist schlecht, aber die Soundqualität ist noch schlechter. So schlecht, dass man als Deutsche darauf wartet, dass sich jemand beschweren geht. Vergeblich. Die anderen beschweren sich nicht, sie wippen mit den Füßen. Die Deutsche stopft sich Klopapier in die Ohren und versucht beim Schwimmen lange unterzutauchen.

Zum Schwimmen sind libanesische Swimmingpools ideal. Die Pools sind riesig, das Wasser ist nicht gechlort, und vor allem: keiner schwimmt. Man steht entweder lässig an der Bar mitten im Pool, oder man beobachtet vom Beckenrand aus Angehörige des anderen Geschlechts. Allerhöchstens schwimmt man zwei, drei Meter zu einem Bekannten, der am Beckenrand ein bisschen weiter oben seinen Cocktail schlürft. Während man also im deutschen Freibad von wettkampferprobten Sportschwimmern von der Bahn gedrängt wird, gleichzeitig aber nicht nach rechts ausweichen kann, weil dort eine Oma mit Bademütze cholerisch auf jeden Spritzer reagiert, kann man am libanesischen Privatstrand endlich all das machen, wovon man immer geträumt hat: Fünf Minuten Rückenschwimmen ohne sich umzudrehen, toter Mann spielen und treiben lassen, spritzen und planschen so viel man will.

Wozu Meeresrauschen? Die Musik ist laut genug Bild: Stephanie Doetzer

Die belustigten Blicke vom Beckenrand sollte man dabei ignorieren: Lächerlich gemacht hat man sich ohnehin schon durch die nicht ganz seidenglatten Beine, die wasserlösliche Wimperntusche, den Billigbikini. Aufs Bahnen-Schwimmen kommt es nicht mehr an.

Libanesinnen sind nicht nur naturgemäß lieblich anzusehen, sondern wissen ihre Schönheit auch am Strand ins richtige Sonnenlicht zu rücken: Jede hat ein kleines Täschchen mit Make-up, Puder und Lippenstift neben sich auf der Strandliege und ölt sich auf derselben liegend - das linke Bein ausgestreckt, das rechte Bein angezogen - alle fünf Minuten von oben bis unten ein. (Falls das hier ein bisschen herablassend klingen sollte, dann nur deshalb, weil ich in Wirklichkeit vor Neid erblasse.)

Strände: Der Libanon hat 200 Kilometer Küste und 300 Sonnentage im Jahr. Wer ein bisschen Glück hat, kann vormittags im Gebirge Ski fahren und nachmittags im Mittelmeer schwimmen. Und wer statt schwimmen lieber feiern und flirten will, besucht am besten:

Eddé Sands: Direkt neben Byblos, 35 Kilometer nördlich von Beirut. 70 Euro Eintritt für eine VIP-Liege am Pool, Übernachtungsmöglichkeit ab 220 Euro. Bei den Beach Partys kostet die Tischreservierung inklusive drei Flaschen Champagner 315 Euro. Wireless Internet gibt es im ganzen Strandbereich. Wer sich den lokalen Sitten anpassen möchte, sollte auf jeden Fall einen der Jetskies mieten und damit zur Geräuschkulisse am Strand beitragen. Eddé Sands, Tel. (00961- 9) 546666, www.eddesands.com

Laguava Resort: Das Laguava Resort liegt 20 Fahrminuten südlich von Beirut, kurz vor Saida. Ein Strandbungalow für zwei mit privatem Whirlpool kostet 540 Euro die Nacht. Ohne Übernachtung und unter der Woche ist ein Zugang zum Strand für "Nicht-VIPs" auch schon für 12 Euro zu haben. VIPs zahlen 53 Euro. Sechs VIP-Freunde zusammen können für 315 Euro einen Whirlpool mieten. Tel. (00961-7) 990101, www.laguavaresort.com

Janna sur mer: Janna ist das arabischeWort für Paradies. Der Strand liegt ebenfalls kurz vor Saida und gehört zu den preiswerteren Partylocations. Sogar VIPs zahlen für ihre Strandliege hier nur 23 Euro Eintritt. Der Text nebenan ist hauptsächlich von Janna inspiriert. Hier schraubt sich im Pool die Tanzplattform in die Höhe, und in der Grotte lässt es sich gut knutschen. Tel. (00961-3) 1822 33, www.jannalb.com

Cyan: Cyan in Kaslik ist der Partystrand für Männer in Muscleshirts und Frauen mit gezieltem Augenaufschlag. Wer vormittags noch keinen DJ Tiesto Sound hören kann, sollte lieber fernbleiben. Eintritt kostet zwischen 10 und 140 Euro, diesen Monat ist jeden Freitag Bachelor’s Party. Zouk Mikael, Kaslik, nördlich von Beirut, Tel. (00961-70) 988297

Schönheitstipp: Damit es Ihnen am Strand nicht ergeht wie unserer Autorin, schauen Sie vorher im Beauty Salon vorbei: www.beautyloungebeirut.com - Tel. (00961-1) 3301 30, Sassine Square Starbucks Building oder: Naiman, Verdun, Nour Building, Tel. (00961-01) 787858. Um sich nicht zu blamieren, sollten Sie danach etwa folgendermaßen aussehen: Lebanon Miss Beach.

Ab drei Uhr nachmittags wird die Musiklautstärke für deutsche Ohren unerträglich. Während Deutschlands Freibadbesucher auf der Liegewiese einiges für Meeresrauschen im Hintergrund gäben, wird dies am libanesischen Privatstrand gekonnt überschallt. Wer braucht schon Meeresrauschen, wenn das ganze Land am Meer liegt? Die Deutsche flüchtet also in die Felsengrotte im Swimmingpool, hinter einen künstlichen Wasserfall, in der Hoffnung, die Töne mögen leiser werden. Leider sind in der Grotte knutschende Pärchen und sie fühlt sich unwohl. Sie bräuchte männliche Begleitung, doch woher nehmen, wenn man kein Körperöl, stattdessen aber stachlige Unterschenkel hat?

Also wieder raus aus der Grotte, zurück in den Pool, ein paar Kreise schwimmen und versuchen, nicht an die Musik zu denken. In der Mitte des Pools gibt es eine kleine Insel, und auf der Insel eine kleine runde Plattform. Auf diese Plattform springt jeden Nachmittag eine junge Dame, bekleidet mit einem glitzernden BH, einem Stringtanga und einem sehr knappen Jeansrock. Dann schraubt sich die Plattform in die Höhe, etwa anderthalb Meter, und die junge Dame beginnt zu tanzen. Sie wackelt mit dem Hintern und dem Busen, wirft ihren Kopf nach links und rechts, lässt ihre Lippen leicht geöffnet, streift ihre Hände von Zeit zu Zeit durch die rot gefärbten Haare und wendet dem planschenden Publikum für die optimale Sicht auf den Stringtanga meist den Rücken zu. Die Jungs an der Champagnerbar johlen, die Musik ist so laut wie vorher.

Die Deutsche flüchtet aus dem Pool ans Meer, spaziert am Strand entlang bis zur Absperrung. Ein hoher Holzzaun trennt den Privatstrand vom öffentlichen Müllhaldenstrand nebenan. Sie geht am Zaun vorbei, läuft weiter, immer weiter, so lange, bis die Technobeats verklingen.

Nach Sonnenuntergang baut der DJ seine Anlage ab, die geölten Mädels und die johlenden Jungs verschwinden, lassen sich an der Kasse ihre Autoschlüssel wiedergeben und brausen davon. Die Deutsche spitzt hinter dem Holzzaun hervor, schnuppert, lauscht, und als sie sich ganz sicher ist, springt sie jauchzend in den leeren Swimmingpool. Und während der letzte Rest Wimperntusche die Wangen runter rinnt, schwimmt sie Bahnen und denkt an Freibad. Freibad für 2,50 Euro.

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