BVerfG-Beschluss zu häuslicher Pflege: Familienangehörige helfen billiger

Die Pflege durch Angehörige wird vom Staat schlechter honoriert als die von professionellen Kräften. Das ist in Ordnung, urteilt das Bundesverfassungsgericht.

Regeln des Onlinejournalismus (Teil XXIV): Kein Pflegetext ohne ein Bild von alten Händen. Bild: dpa

KARSLRUHE dpa | Wer ein Familienmitglied zu Hause pflegt, hat keinen Anspruch auf eine gleich hohe Vergütung wie eine professionelle Pflegekraft. „Der geringeren Geldleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege durch Familienangehörige gegenüber den Geldleistungen beim Einsatz bezahlter Pflegekräfte verstoßen nicht gegen das Grundgesetz“, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss vom 26. März.

Die Richter wiesen die Verfassungsbeschwerde einer Ehefrau und deren Tochter aus Bayern zurück, die den Familienvater bis zu dessen Tod zu Hause gepflegt hatten. Während das Pflegegeld der Stufe III 665 Euro betrug, wären beim Einsatz bezahlter Pflegekräfte mit 1.432 Euro mehr als doppelt so viel erstattungsfähig gewesen. Beim Sozialgericht München und den folgenden Instanzen hatten die beiden Frauen unter Hinweis auf den grundgesetzlichen Gleichheitssatz vergeblich versucht, den Differenzbetrag zwischen dem Pflegegeld und der höheren Pflegesachleistung einzuklagen.

Nach Feststellung der höchsten deutschen Richter handelt es sich aber um zwei verschiedene Leistungsmodelle: Die häusliche Pflegehilfe sei eine Sachleistung für die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung Pflegebedürftiger durch dafür zugelassene externe Pflegekräfte. Das Pflegegeld hingegen sei eine laufende Geldleistung für Angehörige, Ehrenamtliche oder professionelle Pfleger, die keinen Vertrag mit der Pflegekasse haben.

Das Pflegegeld solle „im Sinne einer materiellen Anerkennung einen Anreiz darstellen“ und die Eigenverantwortlichkeit sowie Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen stärken. Diese könnten das Geld frei für ihre Pflege einsetzen. Der Konzeption des Pflegegeldes liege der Gedanke zugrunde, dass familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege unentgeltlich erbracht werde.

Entscheidung zur Pflege nicht des Geldes wegens

Der Gesetzgeber dürfe davon ausgehen, dass die Entscheidung zur familiären Pflege nicht abhängig sei von der Höhe der Vergütung, die eine professionelle Pflegekraft für diese Leistung erhalte, urteilten die Karlsruher Richter. „Die gegenseitige Beistandspflicht von Familienangehörigen rechtfertigt es, das Pflegegeld in vergleichsweise niedrigerer Höhe zu gewähren“, befand die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts.

Zwar sei der Anreiz zur Pflegebereitschaft umso größer, je mehr der Staat finanziell unterstütze. Daraus erwachse aber kein Anspruch auf finanzielle Förderung oder auf Anhebung des Pflegegeldes auf den Wert der Sachleistung.

Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz geht das Urteil an der Praxis vorbei. „Schließlich werden schon heute 100.000-fach Pflegehilfskräfte aus Mittel- und Osteuropa aus dem Pflegegeld bezahlt“, erklärte ihr Vorsitzender Eugen Brysch. Schon lange werde die Leistung nicht allein für familiäre, ehrenamtliche oder nachbarschaftliche Hilfe verwandt. „Das steht vielleicht im Gesetz, hat aber mit der Wirklichkeit nichts zu tun“, so Brysch.

(AZ: 1 BvR 1133/12)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.