Automatisierung der EU-Außengrenzen: Deutschland testet Ausführung

Reisende am Frankfurter Flughafen müssen sich bald auf ein neues Prozedere einstellen. Ein System „intelligenter Grenzen“ wird ausprobiert.

Bald gibt's in hier noch mehr Kontrolle: am Airport in Frankfurt. Bild: dpa

BERLIN taz | Das von Datenschützern heftig kritisierte System zur Automatisierung der EU-Außengrenzen wird am Frankfurter Flughafen erprobt. Zwischen Juni und September diesen Jahres sollen dort tausende Reisende Geräte zur Fingerabdruckerfassung und automatischen Ein- und Ausreisekontrolle testen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Andrej Hunko hervor.

In Zusammenarbeit mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex wird die Bundespolizei unter anderem parallel Systeme zur Erfassung von vier, acht und zehn Fingerabdrücken erproben. Die Teilnahme sei freiwillig, so die Bundesregierung. Zum Einsatz kämen voraussichtlich Biometriescanner der Firmen Crossmatch aus den USA und Morpho aus Frankreich. Zudem solle das bestehende Grenzkontrollsystem namens „Easy Pass“ „ertüchtigt“ werden.

An dem Pilotprojekt sind neben der Bundestagsdruckerei sind auch noch die deutschen Firmen Secunet, Capgemini und MSG Systems an dem Projekt beteiligt, ebenso die Consulting-Firma PriceWaterhouseCoopers. Das BMI schätzt die Kosten für den Test auf rund 700.000 Euro.

Seit Jahren arbeitet die EU-Kommission an einem System „intelligenter Grenzen“, dass sie „Smart Border Package“ getauft hat. Es soll die Aufenthaltsdauer von Reisenden aus Nicht-EU-Staaten innerhalb der Union automatisch erfassen. Dies soll einen genauen Überblick darüber geben, ob Reisende aus Drittstaaten länger als erlaubt bleiben.

Chip für Grenzautomaten

Außerdem sollen Vielreisende einen Chip bekommen können, mit dem sie unkompliziert Grenzautomaten passieren. Die EU-Kommission erwartet, dass die Anzahl der Reisenden in die EU in den kommenden Jahren deutlich ansteigt: Allein an den Flughäfen werde ihre Zahl von 400 Millionen im Jahr 2009 auf 720 Millionen im Jahr 2030 anwachsen.

Datenschützer aus der ganzen EU hatten das Projekt kritisiert. Auch die Mitgliedsstaaten waren nicht angetan: Ihnen war es zu teuer – es soll mehr als 1,3 Milliarden Euro kosten. Daraufhin kündigte die Kommission an, die Daten nicht nur für die Migrationskontrolle, sondern auch für die Strafverfolgung zu nutzen. So sei das Geld besser investiert. Die Polizei bekommt auf diese Weise Zugriff auf eine gigantische Biometriedatenbank.

„So entsteht eine riesige grenzpolizeiliche Vorratsdatenspeicherung von Reiseprofilen“, sagt Hunko. Dies beträfe sämtliche Angehörigen von „Drittstaaten“. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob diese aus geschäftlichen, touristischen oder schutzbedürftigen Gründen einreisen. Hunko fordert, den Test abzusagen. Er bezweifelt, dass es bei den veranschlagten Kosten von 1,3 Milliarden Euro bleibt.

Ungerechtfertigter Aufwand für Kontrolle

„Aufgrund der Erfahrungen beim Schengener Informationssystem (SIS) schätze ich die tatsächlichen auf mindestens das Doppelte. Die Mehrkosten beim SIS lagen sogar beim Dreizehnfachen.“ Das Ganze sei ein „Konjunkturprogramm für die Rüstungs- und Biometrie-Industrie“. Schließlich müssen nicht nur die Scanner angeschafft werden, sondern auch Übertragungs- und Speichersysteme, die „von den großen europäischen Rüstungsfirmen verkauft werden.“

Der Aufwand sei ungerechtfertigt, um lediglich Menschen zu kontrollieren, die ihr Visum überziehen. Dass diese Vorratsdatenspeicherung nun rentabel gemacht werden soll, in dem sie auch zur „alltäglichen polizeiliche Rasterfahndung“ genutzt werden können, sei „zynisch“.

Der frühere Bundesdatentschutzbeauftragte Peter Schaar hat die Sache ähnlich gesehen. Unbescholtene Reisende könnten in Fahndungslisten rutschen und wie Kriminelle behandelt werden, fürchtete Schaar schon, als die Kommission ihre Pläne präsentierte. Das „Smart Border“-System verletze Grundrechte, sei „völlig unrealistisch“ und Geldverschwendung, so Schaar. „Die Pläne sind alles andere als smart.“

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