Ausstellungsempfehlungen für Berlin: Das blutrote Innere

Beate Scheder empfiehlt postapokalyptische Figuren von Rebecca Ackroyd, Schmetterlinge des „Female Gaze“ und eine Diskokugel aus Schokolade.

Laure Prouvost, Into all that is here, 2015, Videostill Foto: courtesy: the artist and carlier|gebauer, 2015

Was den gipsüberzogenen Frauenfiguren, die Rebecca Ackroyd bei Peres Projects herumlungern lässt, wohl durch den Kopf geht? Wahrscheinlich wenig Erbauliches. Mit Helmen und Sonnenbrillen scheinen sie sich vor irgendetwas schützen zu wollen, auf das sie zwischen verschlossenen Geschäften mit heruntergelassenen Jalousien und mit Feuer bedruckten Riesenmuscheln zu warten scheinen. Am bedrohlichsten aber wirken die fensterförmigen Löcher an Beinen, Brust und Unterleib der Figuren selbst, die ins blutrote Innere, bis auf den Grund blicken lassen. Die Künstlerin beschwört mit Bildern wie aus einem postapokalyptischen Sci-Fi-Film Fragen nach dem Außen und Innen, nach Öffnung und Ausschluss, Selbstschutz und Furcht hervor, die sich dann doch als Anspielungen auf aktuelle politische Diskurse entpuppen: 2018 UK bzw. EU steht auf den Jalousiekästen.

Erst kürzlich wurde verkündet, dass Laure Prouvost den französischen Pavillon der Venedig Biennale 2019 bespielen werde. Die Vorfreude darauf verkürzt ein Besuch in der Studiogalerie im Haus am Lützowplatz, wo Prouvost gemeinsam mit sieben weiteren Künstlerinnen ihren „Female Gaze“ schweifen lässt. Bei Prouvost fängt dieser lustvolle Bilder eines zeitgenössischen Arkadiens ein, wo pralle Erdbeeren zwischen Lippen verschwinden, die eben noch geküsst haben, wo Schmetterlinge herumflattern, Bäche plätschern, Grillen zirpen, Badende sich nackt vergnügen. Es ist ein Kontrapunkt zu den anderen Arbeiten, die sich zumeist mit dem drohenden Verlust von Jugend und Schönheit, mit weiblichen Rollenbildern und widersprüchlichen Idealen beschäftigen.

Eher am männlichen Blick orientierte sich die Darstellung der damals 15-jährigen Brook Shields, die Richard Avedon 1981 für eine Jeans-Werbung von Calvin Klein ablichtete. Kelley Walker hat die Kampagne eingescannt und per Photoshop neu zusammengesetzt, verfremdet, verzerrt. Das ist Walkers Methode, die Verführungskunst populärer Bilder und den Zeitgeist vergangener Jahrzehnte zu filetieren, um den heutigen darin zu spiegeln. Die Werbebilder der jugendlichen Schauspielerin sorgten in den 1980ern für Aufruhr. Bald 40 Jahre später funktionieren Bilder anders, prasseln im Rausch auf uns ein. 2018 posierten die Kardashian-Schwestern für Calvin Klein in Unterwäsche, falls sich noch irgendwer erinnert. Auch bei Capitain Petzel dreht sich die Discokugel zwar noch, aber sie wirft keine Lichtpunkte mehr in den Raum – sie ist aus Schokolade.

Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.

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