Ausfälle bei der Kartoffelernte: Ein Fadenwurm namens „Emsland“

Langlebige Schädlinge gefährden den Kartoffelanbau in Niedersachsen. Schuld ist unter anderem die zu enge Fruchtfolge.

Eine Kartoffel mit einer schwarzen Stelle

Will keiner haben: von Würmern befallene Kartoffel Foto: dpa

BREMEN taz | Das Emsland hat seinen eigenen, nach ihm benannten Kartoffelschädling – einen ganz besonders schlimmen. Noch kommt er nur hier vor. Keine der ansonsten resistenten Kartoffeln kann dem Fadenwurm „Emsland“ etwas entgegen setzen. Und jetzt kommt auch noch der Kartoffelkrebs hinzu, ein Pilz, der für hässliche Wucherungen an der Knolle sorgt.

Für die VerbraucherInnen ist der Kartoffelkrebs zwar nicht gefährlich, so wie auch der Fadenwurm, für die Bauern aber schon, denn er sorgt für große Ernteausfälle – von mehreren hundert Tonnen ist schon die Rede. Inzwischen ist der gesamte Kartoffelanbau in Niedersachsen „massiv gefährdet“, wie Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) sagt, der Interessenvertretung traditionell wirtschaftender Bauern.

Die Firma Solana aus Hamburg hat bereits angekündigt, keine Pflanzkartoffeln mehr im Emsland produzieren zu lassen. Zwar können die Landwirte im Emsland auch Speisekartoffeln produzieren – an denen verdienen sie aber pro Tonne 150 Euro weniger, wie der Solana-Geschäftsführer der Neuen Osnabrücker Zeitung erklärte.

Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium bestätigt auf Nachfrage, dass bei zwei Betrieben im Emsland Kartoffelkrebssporen in der Anhang­erde nachgewiesen worden seien. Kranke Pflanzen hätten die Kontrolleure aber nicht gefunden, teilte das Ministerium mit – weitere Untersuchungen laufen noch. Allerdings gebe es „weitere Fälle“ in anderen Landkreisen Niedersachsens. Nähere Angaben machte das Ministerium dazu nicht – auch hier laufen Untersuchungen.

In der Region ist der schädliche Pilz nach Angaben der Behörden zwar schon seit 1999 bekannt, er wurde aber seit 2015 nicht mehr nachgewiesen, berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung. Das Problem: Im Boden kann der Erreger „mindestens 15 bis 20 Jahre überleben“, sagt das Julius-Kühn-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft spricht sogar von bis zu 40 Jahren.

Hitze- und kältetolerante Schädlinge

Die Schädlinge sind zudem sehr hitze- und kältetolerant. Verbreitet werden sie durch verseuchtes Pflanzgut, Landmaschinen sowie Rückstände der kartoffelverarbeitenden Industrie. Bekämpfungsmöglichkeiten: Keine. Und allein im Emsland und der Grafschaft Bent­heim werden von etwa 1.000 Landwirten auf rund 31.000 Hektar Kartoffeln angebaut.

Bei den Nematoden genanntem Fadenwürmern schätzten Fachleute schon 2015, dass zwischen 50 und 70 Prozent der 100.000 Hektar, auf denen in Niedersachsen seinerzeit Kartoffeln angebaut wurden, mit den Schädlingen belastet waren.

Die Landwirtschaftskammer widersprach dem: In Stichproben konnten zwar auf 28 Prozent der Anbaufläche von „Konsumkartoffeln“ Nematoden nachgewiesen werden. Bei den Saatkartoffeln liege der Anteil aber „bei exakt null Prozent“, behauptete die Landwirtschaftskammer (LWK) damals.

16 Flächen für Anbau gesperrt

Bis in die Achtziger Jahre hinein führte der Befall mit Fadenwürmern „zu teilweise erheblichen Ertragsverlusten“, erklärt die Kammer. Durch konsequenteren Anbau resistenter Sorten sei die Nematodendichte im Laufe der Jahre aber erheblich reduziert worden, und liege in vielen Fällen „unter der Nachweisgrenze“. Die Zysten der Fadenwürmer überleben aber bis zu 20 Jahre lang im Boden.

Derzeit sind nach Angaben des Ministeriums 16 Flächen im Emsland für den Kartoffelanbau gesperrt. Eine von Kartoffelkrebs befallene Fläche steht dabei für mindestens 20 Jahre unter Quarantäne.

Die Behörde empfiehlt den Bauern derweil, ihre Pflanzkartoffeln zu waschen – danach können sie diese noch für weniger Geld als Speisekartoffeln verkaufen, wenn ihre Erde unbelastet ist. Der Geschäftsführer des Pflanzkartoffel-Produzenten Solana bezeichnete das in der Neuen Osnabrücker Zeitung als „technisch kaum möglich“, zudem seien die Zusatzkosten „kaum zu erwirtschaften“. Die Kartoffeln würde das „wesentlich verteuern“, sagt auch Eckehard Niemann.

Aus seiner Sicht ist die Konzentration des Kartoffelanbaus für die Verbreitung der Schädlinge mit verantwortlich: „Kartoffeln kann man entsprechend der guten fachlichen Praxis nacheinander nur alle vier Jahre anbauen“, sagt der ABL-Sprecher, „damit dazwischen ein möglicher Schädlings-Anfangsbefall in den Böden abgebaut wird“.

Klärschlamm verbreitet Kartoffelkrebs

Im Emsland aber, das berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung vom „Kartoffeltag“im vergangenen Jahr, gebe es Gebiete, in denen alle zwei Jahre Kartoffeln angebaut würden. Schädlinge können so leichter Resistenzen entwickeln, sagen Experten. Die enge Fruchtfolge vermindert am Ende auch den Ertrag: Nachdem der über Jahrzehnte von 20 auf 45 Tonnen je Hektar angestiegen war, sei die Tendenz seit 2000 stagnierend oder sogar sinkend, berichtete die Landwirtschaftskammer laut der Neuen Osnabrücker Zeitung auf dem Kartoffeltag.

Neben der engen Fruchtfolge könnte Niemann zufolge Klärschlamm die Verbreitung des Kartoffelkrebses begünstigen. Auch in Biogas-Anlagen überlebten die Sporen. Zudem begünstige die Rodung von Zuckerrüben die Verbreitung der Erreger – und diese Quelle sei „schwer in den Griff zu kriegen“.

Niemann fordert nun eine „Ausweitung der Kontrollen“. Das stichprobenartige Monitoring sei bisher auf Fadenwürmer beschränkt und „völlig unzureichend“. Und wer nur Konsumkartoffeln anbaut, bleibt von den Kontrollen der Ämter verschont – kann aber den Erreger weiter verbreiten.

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