Atombomben-Zwischenfall 1961: Lernen, der Bombe zu misstrauen

Wegen einer Flugzeugpanne wäre 1961 eine US-Atombombe fast über North Carolina explodiert. Neue Dokumente zeigen wie ernst die Lage damals war.

Schrecklich schön: Erster Wasserstoffbombentest über dem Enewetak Atoll 1952. Bild: dpa

LONDON afp | Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges sind die USA offenbar nur knapp einer selbstverschuldeten Atombomben-Katastrophe entgangen: Beinahe wäre 1961 eine Wasserstoffbombe von der 260fachen Stärke der Hiroshima-Bombe nach einer schweren Flugzeugpanne über North Carolina explodiert, berichtete der britische Guardian am Samstag unter Berufung auf ein kürzlich freigegebenes Geheimdokument der US-Regierung. Erst im letzten Moment habe ein Sicherheitsschalter die Explosion verhindert.

Am 23. Januar 1961 brach den Angaben zufolge ein B-52-Langstreckenbomber der US-Airforce mit zwei Atombomben an Bord bei einem Routineflug über der Stadt Goldsboro in der Luft auseinander, die Bomben lösten sich und gingen auf die Erde nieder – ohne zu explodieren. In einer acht Jahre später vorgenommenen Untersuchung kommt der für die US-Regierung arbeitende Ingenieur Parker F. Jones allerdings zu dem Schluss, dass bei einer der beiden Bomben drei der vier Sicherheitsmechanismen versagt hatten, die eine ungewollte Explosion verhindern sollten. Nur ein einfacher Sicherheitsschalter verhinderte in letzter Minute die drohende Katastrophe.

„Die Bombe MK39 Mod 2 verfügte nicht über die geeigneten Sicherheitsmechanismen für einen luftgestützten Einsatz“, folgerte Jones in seinem vertraulichen Bericht, den er mit trockenem Humor mit „Wiedersehen in Goldsboro oder: Wie ich lernte, der H-Bombe zu misstrauen“ überschrieb - in Anlehnung an Stanley Kubriks Kultfilm „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“.

Die US-Regierung hatte schon in der Vergangenheit den Zwischenfall eingeräumt – doch erst der Geheimbericht von 1969 bestätigt der britischen Zeitung zufolge, wie ernst die Lage tatsächlich war. Demnach brachte der Zwischenfall das Leben von Millionen Menschen in Gefahr, Großstädte von Washington bis New York wären betroffen gewesen.

Das Dokument wurde von dem US-Enthüllungsjournalisten Eric Schlosser bei Recherchen zu einem neuen Buch über den atomaren Rüstungswettlauf ausgegraben, um es zu bekommen, berief er sich auf das Gesetz zur Informationsfreiheit. Er warf der US-Regierung vor, der Öffentlichkeit die Gefahren durch unzulängliche Sicherheitsvorkehrungen verschwiegen zu haben, um ihre Atompolitik nicht zu gefährden: „Uns wurde gesagt, es sei unmöglich, dass diese Waffen versehentlich detonieren - und doch haben wir hier eine, bei der es beinahe passiert wäre“, sagte er dem Guardian.

Nach Schlossers Recherchen verzeichnete die US-Regierung zwischen 1950 und 1968 mindestens 700 „bedeutende“ Unfälle und Zwischenfälle, in die rund 1.250 Atomwaffen verwickelt waren.

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