Asklepios-Mitarbeiterin klagt gegen Chef: Allein auf weitem Flur

Klinikmitarbeiterinnen von Asklepios in Göttingen wehren sich gerichtlich gegen Abmahnungen. Sie hatten wegen Personalmangels eine Gefährdungsanzeige geschrieben

Wann ist das Personal ausreichend: Darüber gehen in Göttingen die Sichtweisen auseinander Foto: Patrick Pleul/dpa

GÖTTINGEN taz | Zwei Mitarbeiterinnen der psychiatrischen Asklepios-Klinik in Göttingen wehren sich vor Gericht gegen Abmahnungen durch die Chefetage. Während ein Fall zunächst im Rahmen eines sogenannten Gütetermins geklärt werden soll, hat das örtliche Arbeitsgericht im anderen Fall für den 14. Dezember eine Kammerverhandlung angesetzt.

Geklagt hat eine examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Sie war für den 26. September 2016 gemeinsam mit einer Auszubildenden zu einem Stationsdienst eingeteilt worden. Weil sie die Personalstärke für diese Schicht nicht für ausreichend hielt, meldete sie sich zunächst bei dem diensthabenden Pflegedienstleiter. Der veranlasste, dass die Station eine weitere Auszubildende zugeteilt bekam. Gleichzeitig wurde der Frau mitgeteilt, dass sie im Falle von unvorhersehbaren Arbeitsspitzen Unterstützung von der Nachbarstation anfordern könne.

Die Pflegerin empfand die personelle Situation aber weiterhin als unzureichend und schrieb eine sogenannte Gefährdungsanzeige. Nach Paragraf 16 des Arbeitsschutzgesetzes haben Beschäftigte dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten „jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sowie jeden an den Schutzsystemen festgestellten Defekt unverzüglich zu melden.“

Die Klinik reagierte mit besagter Abmahnung. Begründung: Die Überlastungsanzeige sei unberechtigt erfolgt, die Zahl der auf der Station eingesetzten Mitarbeiter – eine Fachkraft und zwei Auszubildende – durchaus ausreichend gewesen. Im Wiederholungsfall „müssen Sie mit weiteren Konsequenzen bis zu einer Kündigung rechnen“, heißt es in dem Abmahnungsschreiben.

Im Asklepios Fachklinikum für Psychiatrie und Psychotherapie Göttingen arbeiten etwa 600 Menschen. Seit der Privatisierung kommen aus der Belegschaft und von ver.di Klagen über Personalmangel und extreme Arbeitsbelastungen.

Gefährdungs- oder Überlastungsanzeigen sind ein gesetzlich geschützter Weg, Vorgesetzte und Unternehmensleitungen auf möglicherweise drohende Gefährdungssituationen am Arbeitsplatz hinzuweisen und zum Eingreifen zu bewegen.

Das sogenannte Maßregelungsverbot soll wiederum verhindern, dass Beschäftigte aufgrund zulässiger Ausübung ihrer Rechte oder Pflichten Nachteile erfahren.

Bei Asklepios gebe es ein sehr breites Meldesystem, um auf besondere Vorkommnisse, Überlastungen oder auch Gefährdungssituationen hinzuweisen, ergänzt ein Konzern-Sprecher. Die Mitarbeiter seien ausdrücklich aufgefordert, dieses System auch sachgerecht zu nutzen. Es sei aber unzulässig, objektiv falsche und unzulässige Meldungen zu verfassen und so das Instrument der Gefährdungsanzeige für gewerkschaftliche Interessen zu missbrauchen.

Die Pflegerin hält die Abmahnung für unwirksam und verlangt in ihrer Klage die Löschung aus der Personalakte. Als Arbeitnehmerin sei sie verpflichtet, auf aus ihrer Sicht bestehende Gefahren hinzuweisen. Es komme hier ausschließlich auf die subjektive Einschätzung des oder der Beschäftigten und nicht auf die Einschätzung des Arbeitgebers an. Im Übrigen gefährde das Vorgehen der Klinikleitung das Patientenwohl: Denn aus Angst vor einer Abmahnung würden sich Mitarbeiter künftig nicht mehr trauen, auf Gefährdungssituationen hinzuweisen.

Unterstützung erfährt die Klägerin von der Gewerkschaft. Der Arbeitgeber wolle offenbar „mit allen Mitteln verhindern, dass die Beschäftigten Gefährdungs- und Überlastungssituationen dokumentieren und ihrer Geschäftsführung melden, wie vom Gesetz gefordert“, sagt ver.di-Sekretärin Julia Niekamp. Das Vorgehen der Klinikleitung „toppt alles, was wir bereits bei Asklepios kennengelernt haben“.

Hier werde versucht, massiv Beschäftigte einzuschüchtern, die nicht bereit seien, eine Gefährdungssituation in der Klinik hinzunehmen. „Und natürlich kalkuliert eine Klinikleitung damit, dass sich immer weniger Mitarbeiter trauen, noch Gefährdungsmeldungen zu schreiben, wenn sich eine solche Abmahnung mit Kündigungsandrohung erstmal im Betrieb ’rumspricht“.

Niekamp weiß auch von weiteren Asklepios-Beschäftigten, die in der Vergangenheit Gefährdungsmeldungen gemacht haben. Sie seien anschließend von der Leitung zum Gespräch einbestellt und gedrängt wurden, die Meldung zurückziehen. Es sei deshalb „gar nicht hoch genug einzuschätzen, dass diese Frauen bereit sind und den Mut haben, gegen ihre Klinikleitung auf Löschung dieser skandalösen Abmahnungen zu klagen“.

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