Argentinische Enttäuschung: Chevron darf fracken

Noch vor kurzem jubelte Argentinien über die Verstaatlichung der Ölindustrie. Doch nun muss das Land Ölmultis mit Steuergeschenken locken.

Die Argentinier wissen, was der Chevron-Deal bedeutet: Am 16. Juli okkupieren Protestierer den staatlichen Ölkonzern YPF symbolisch mit einer US-Flagge. Bild: ap

BUENOS AIRES taz | Als Cristina Kirchner vor 16 Monaten die Ölfirma YPF enteignete, waren die Reaktionen höchst gespalten. Während Investoren weltweit entsetzt die Nase rümpften, bejubelten viele Argentinier ihre Präsidentin. Im Kongress votierten sogar große Teile der rechten und linken Opposition für das Gesetz über die „kohlenstoffliche Souveränität der Republik“.

Doch der Versuch, den lateinamerikanischen Staat wieder als Souverän im Erdöl- und Erdgassektor aufzustellen, ist gescheitert. Die Regierung hat ein Investitionsabkommen mit dem US-Konzern Chevron unterschrieben, der Ölmulti will mindestens 1,25 Milliarden Dollar im Land investieren.

Damit hat Argentinien erstmals seit dem YPF-Coup wieder einen Investor für ein großes Rohstoffprojekt innerhalb der Landesgrenzen gefunden. Händeringend hatte die Regierung über Monate finanzkräftige Partner gesucht, die auch über das nötige Know-how für die Erschließung von Schieferöl und -gas mit der umstrittenen Fracking-Methode verfügt.

Konzession für 35 Jahre

Nach der pompös verkündeten Enteignung gaben die Ölmultis der Welt den Argentiniern jedoch einen Korb nach dem anderen. Am Ende blieb nur Chevron.

Am Montag verfügte Kirchner per Dekret, dass Unternehmen, die sich verpflichten, innerhalb von fünf Jahren mindestens 1 Milliarde Dollar in die Energieförderung zu investieren, 20 Prozent der dabei geförderten Menge ohne Steuern auf dem Weltmarkt verkaufen können. Sie müssen ihre eingenommenen Petrodollars zudem nicht mehr bei der argentinischen Zentralbank in Pesos umtauschen.

Ein großzügiges Geschenk, das Chevron dankend annahm. Bei dem Abkommen geht es um die Erschließung von Gas- und Ölvorkommen auf einer knapp 400 Quadratkilometer großen Fläche in der südlichen Provinz Neuquén. Die Konzession gilt für 35 Jahre. Ab 2017 sollen täglich 50.000 Fass Erdöl und 3 Millionen Kubikmeter Gas gefördert werden.

Chevron diktierte die Bedingungen

Die Amerikaner verbinden ihr Engagement wohl mit der Hoffnung, in Argentinien genauso hohe Gewinne mit Fracking einzufahren wie in den USA. Wie sehr Chevron die Bedingungen diktierte, zeigt auch, dass das Abkommen der US-Rechtsprechung unterworfen ist.

Beim Fracking werden Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in Schiefergestein gepresst, um dort Gas oder Öl freizusetzen. In den USA wird die Methode bereits im großen Stil eingesetzt. Die Umweltfolgen sind allerdings kaum erforscht. Dort, wo einmal Fracking stattfinden soll, hatten bereits am Dienstag Angehörige des Mapuche-Volkes aus Protest die Umgebung zweier Bohrtürme besetzt. „Das Abkommen mit Chevron wurde hinter unserem Rücken geschlossen“, sagte Lefxaru Nahuel von der Confederación Mapuche.

Umweltfragen spielen keine Rolle

Wie wenig sich der Chevron um Umweltfragen schert, zeigt sein Umgang mit einem Urteil in Ecuador. Dort war das Unternehmen wegen Umweltschäden zur Zahlung von 19 Milliarden Dollar Schadenersatz verurteilt worden. Da sich Chevron weigerte, versuchten die Kläger, das Geld über die Beschlagnahme von Konzernvermögen im Ausland zu bekommen. Eine Klage in Argentinien hatte Erfolg. Auf richterlichen Beschluss wurde das gesamte Chevron-Vermögen in Argentinien in Höhe von rund 2 Milliarden Dollar im November 2012 eingezogen.

Anfang Juni hob der Oberste Gerichtshof die Beschlagnahme jedoch auf. Spekuliert wird seither, ob die Aktion der Kirchner-Regierung auch als Druckmittel diente, Chevron letztlich zum Vertragsschluss zu bringen.

In zehn Jahren Amtszeit hat Cristina Kirchner Argentinien von einem Gas- und Ölexporteur in einen Netto-Energieimporteur verwandelt. Chevron trug einen gehörigen Teil dazu bei. Nach staatlichen Angaben schrumpfte die Ölförderung des US-Konzerns in Argentinien allein in den Jahren 2009 bis 2012 um 35 Prozent – und lag damit weit über den landesweiten Förderrückgang von 12 Prozent im gleichen Zeitraum.

Die Gas- und Ölimporte reißen derzeit ein riesiges Loch in die siechen Kassen des Landes. Für 2013 werden die staatlichen Ausgaben dafür auf 6,6 Milliarden Dollar geschätzt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.