Die Skrupellose

Die Geschichte ist für sie zum persönlichen Desaster geworden: Marie-Louise Baumann (Foto), ehemalige Generalsekretärin der schweizerischen FDP und einflussreiche Lobbyistin der PR-Agentur Burson-Marsteller. Sie koordinierte 2013 eine einfache parlamentarische Anfrage, die von ihrer alten Parteigefährtin Christa Markwalder eingereicht wurde und anhand derer sich in der Schweiz eine hitzige Debatte über Lobbyismus entzündet hat. In der Anfrage geht es vordergründig um die Beziehungen der Schweiz zu Kasachstan und den angeblichen Demokratisierungsprozess dort.

Beauftragt und bezahlt wurde Baumann jedoch von der kasachischen Partei Ak Zhol, die sich im Westen als liberale Opposition inszeniert. Hauptsächlich ging es der regimetreuen Partei allerdings um die Auslieferung eines kasachischen Oppositionellen. Zudem war die parlamentarische Anfrage Teil einer gesamteuropäischen Kampagne – wiederum von Burson-Marsteller und Baumann koordiniert – zur Imageaufbesserung Kasachstans. Burson-Marsteller ist für skrupelloses Politmarketing bekannt. In den 70er Jahren arbeitete die Agentur mit der argentinischen Militärjunta und Pinochet zusammen, heute sind es die Atomlobby und Großkonzerne.

Die Debatte ist zum Flächenbrand geworden. Der Politologe Claude Longchamp spricht von einem „hyperaktiven“ und „krass unterreglementierten Lobbying“ in der Schweiz. Und im Herbst sind Wahlen. Die Affäre ist für die FDP umso schmerzvoller, als sie sich in den letzten Jahren krampfhaft darum bemühte, den Ruf der wirtschaftsnahen Klientelpartei loszuwerden. Und nun sind auch noch zwei weitere bürgerliche Politiker in die Affäre verstrickt. Marie-Louise Baumann musste ihren Zutrittsausweis fürs Bundeshaus abgeben. MATTHIAS FÄSSLER