DIE DREI FRAGEZEICHEN
: „Das ist eine große Chance“

WAR’S DAS? Die Punkband Pertti Kurikan Nimipäivat tritt beim ESC 2015 für Finnland an. Alle vier Musiker sind behindert

taz: Frau Gebrande, wenn es um die finnischen Kandidaten für den diesjährigen Eurovision Songcontest geht, wird sehr viel über die Behinderungen der Bandmitglieder gesprochen. Warum redet kaum jemand über den Punk, den sie machen?

Julia Gebrande: Diese Band macht das, was Punk eigentlich schon immer gemacht hat: aufmerksam auf ungerechte Lebensverhältnisse. Es ist also sehr gut, dass sie so viel Beachtung findet. Es besteht aber die Gefahr, dass die vier Punkmusiker auf einen Exotenstatus reduziert werden. Die eigentliche Botschaft lautet: Jeder ist anders, aber alle haben einen Anspruch auf Selbstbestimmung.

KritikerInnen unterstellen PKN, dass sie nur aufgrund eines „Mitleidsbonus“ für den ESC ausgewählt wurden. Steht Mitleid Inklusion im Weg?

Mitleid ist etwas anderes als Mitgefühl. Denn es kommt von oben herab. Damit werden die Strukturen in unserer Gesellschaft wieder verleugnet. Durch Mitleid werden gesellschaftliche Probleme nicht gelöst, sondern immer weiter reproduziert.

Denken Sie, dass mittlerweile allen Menschen in Europa klar ist, was Inklusion bedeutet?

Sicherlich nicht. Und das ist, denke ich, auch die große Chance am diesjährigen ESC: So können noch einmal ganz andere Menschen erreicht werden. Als Punkrocker machen PKN deutlich, Rechte müssen hart erkämpft und eingefordert werden. Und dafür ist verdammt viel Mut und Selbstvertrauen nötig.

INTERVIEW: CLARA ZINK

■ Julia Gebrande ist Professorin an der Hochschule Esslingen und selbst körperbehindert