„Modi muss auf die Hardliner Rücksicht nehmen“

VERBINDUNG Der Einfluss des radikal-hinduistischen Kampfverbandes RSS auf den Premierminister Modi ist sehr groß, sagt Politikwissenschaftler Niranjan Sahoo

■ ist Politikwissenschaftler am Forschungsinstitut Observer Research Foundation (ORF) in Indiens Hauptstadt Delhi. Der Fokus seiner Forschung liegt auf der indischen Innenpolitik, seine Spezialgebiete sind lokale Selbstverwaltung und das Zusammenleben sozialer Gruppen in Indien.

taz: Herr Sahoo, wie ist die aktuelle Situation für religiöse Minderheiten in Indien? Ist Indiens Säkularismus in Gefahr?

Niranjan Sahoo: Die Angriffe auf christliche Kirchen sind natürlich erschütternd, und ich kann die Sorgen absolut nachvollziehen. Aber man sollte die Lage nicht überdramatisieren. Das indische System ist nicht kollabiert. Wir haben eine unabhängige Justiz, eine starke Zivilgesellschaft und eine freie Presse. Die Polizei hat schnell reagiert und ermittelt.

Hat sich die Lage verändert, seit die Hindu-Partei BJP die Regierung stellt?

Nein. Schon unter der Vorgängerregierung gab es jedes Jahr 100 bis 140 solcher Angriffe. Aber die BJP-Regierung steht aufgrund ihrer Hindu-Ideologie besonders im Fokus. Vor allem die engen Verbindungen zu radikalen Organisationen wie dem RSS sind bedenklich.

Premierminister Narendra Modi kommt selbst aus dem Hindu-Freiwilligen-Korps RSS. Welche Rolle spielt er?

Ich glaube, Modi hat seine RSS-Zeit hinter sich gelassen. Als Premierminister von ganz Indien kann er nicht einzelne Gruppen bevorzugen, er muss alle Inder im Blick haben. Das versucht er.

Wie groß ist denn der Einfluss des RSS?

Der Einfluss ist sehr groß. Selbst Modi kann nicht einfach die Verbindungen zum RSS kappen. Er muss Rücksicht nehmen auf die Hardliner. Demnächst haben wir Wahlen in Uttar Pradesh und Bihar, dort sichert der RSS der BJP die nötigen Stimmen.

Was muss getan werden, um die Situation zu beruhigen?

Modi hat eine klare Warnung an den RSS geschickt, dass er religiöse Gewalt nicht tolerieren werde. Das war gut. Er muss zeigen, dass es ihm ernst ist, vielleicht auch mal einen dieser Fehlgeleiteten aus der Partei werfen. Doch auch die Regierungen der einzelnen Bundesstaaten müssen handeln, den Gesetzen Geltung verschaffen. Die Polizei muss Ergebnisse liefern, die Richter zügig die Verbrecher verurteilen.

INTERVIEW: MICHAEL RADUNSKI