Verzaubertes vor dem Fenster

Der Schnee fiel. Und fiel immer weiter. Ich stand am Fenster meines Kinderzimmers im ersten Stock und fragte mich: Schafft es der Schnee bis zum Rand meines Dachfensters? Nö, das schaffte er nicht ganz, aber bis zur Regenrinne kam er immerhin. Tagelang raste der Wind aus einer Richtung und schaufelte weiße Massen vor die Tür meines Elternhauses in Schleswig. Der Weg hinaus war blockiert, anstelle der Einfahrt gab es nur eine weiße Decke, die in der Sonne glitzerte. Verzaubert sah die Landschaft vor meinem Fenster aus, und ich fand die Katastrophe ganz schön spannend.

Allerdings waren wir – anders als viele andere Menschen – keine Sekunde in Gefahr, es gab nicht einmal richtige Unannehmlichkeiten. Strom und Heizung liefen, Vorräte lagen ausreichend im Haus. Vermutlich waren die Erwachsenen besorgt, aber das haben mein Bruder und ich nicht so richtig mitgekriegt, wir staunten eher, was der sonst so dröge Winterhimmel an Überraschungen bereithielt.

Als der erste große Schneefall vorbei war, gruben mein Vater, mein Bruder und ich einen Gang zur Straße, damit wir überhaupt wieder nach draußen kamen. Tage später rollte die Bundeswehr an, um die Straßen unseres friedlichen Wohnviertels zu räumen. EST