NS-Opfer fordern Schadenersatz

Nachkommen der griechischen Opfer einer SS-Massenerschießung klagen vor dem Bundesgerichtshof auf individuelle Entschädigung. Grundsatzentscheidung erwartet

FREIBURG taz ■ Ein Verfahren von enormer politischer, finanzieller und moralischer Bedeutung beginnt heute vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Vier Griechen, deren Eltern bei einem SS-Massaker im Zweiten Weltkrieg erschossen wurden, klagen auf Schadenersatz „in angemessener Höhe“. Haben sie Erfolg, muss die Bundesrepublik mit Milliardenforderungen von weiteren Opfern dieses und anderer Wehrmachtsverbrechen sowie der gesamten NS-Herrschaft rechnen.

Der aktuelle Streit bezieht sich auf eine „Sühnemaßnahme“ der SS in dem griechischen Dorf Distomo. Dort erschossen deutsche Besatzer 12 griechische Partisanen sowie rund 300 Dorfbewohner. Vor Gericht geht es nun um einen Ausgleich für Gesundheitsschäden, Nachteile bei der Berufsausbildung sowie die Zerstörung des Elternhauses. Die Bundesrepublik lehnt jede Entschädigungszahlung ab und hatte in den bisherigen deutschen Instanzen auch Erfolg. Zuletzt entschied im August 1998 das Kölner Oberlandesgericht, dass nur der griechische Staat völkerrechtliche Ansprüche vorbringen könne und das normale Staatshaftungsrecht im Krieg nicht gelte. Dagegen zogen die vier Griechen zum BGH.

Doch dort ruhte das Verfahren jetzt schon fünf Jahre, da das Gericht auf den Ausgang vergleichbarer Prozesse in Griechenland warten wollte. So entschied das Kammergericht Livadeia im Herbst 1997, dass Deutschland wegen des Distomo-Massakers umgerechnet rund 900.000 Euro an die Kläger zahlen muss. Die Bundesregierung ließ das Urteil rechtskräftig werden. Deutschland vertraut darauf, dass solche griechischen Gerichtsurteile nicht vollstreckt werden können. Zwar versuchten die Kläger unter anderem das Goethe-Institut in Athen zu pfänden, doch der griechische Justizminister verweigerte die Zustimmung. Letztlich bestätigten sowohl das oberste griechische Sondergericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Prinzip der „Staatenimmunität“. Danach können Staaten nicht vor dem Gericht eines anderen Staates verurteilt werden, vielmehr müssen Ansprüche zwischen den Staaten im Vertragswege ausgehandelt werden.

Nachdem der Weg über die griechische Justiz somit blockiert ist, setzen die Kläger ihre Hoffnung jetzt auf den Bundesgerichtshof. CHRISTIAN RATH