Edin Džeko, emanzipiert
: Das Schattenkind sonnt sich

Sein großer brasilianischer Bruder hat sich verletzt, und Edin Džeko darf plötzlich ganz alleine spielen. Es tut ihm sichtlich gut. Dabei war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich der junge Bosnier von der Urgewalt Grafites emanzipieren würde.

Er gilt nicht erst seit diesem Jahr als der eigentlich talentiertere Stürmer, als der komplettere Spielertyp. Die letzten beiden Spiele der Wolfsburger wirkten dann auch wie ein von der Scouting-Abteilung des VfL zusammengestelltes Best-Of-Video Džekos. Den VfL Bochum hatte er vergangene Woche mit einem Doppelpack im lässig federnden Alleingang erlegt, und auch am Samstag in Frankfurt war er es, der mit seinem frühen Tor den Weg zum Sieg zementierte. Edin Džeko ist ein Phantom, eine offensive Schleichkatze, die scheinbar desinteressiert durch den Strafraum streift, bis sie genau im richtigen Moment zubeißt.

Bevor er nach Wolfsburg kam, wurde er in der Tschechischen Liga zum besten Ausländer der Liga gekürt. Für Teplice hatte er in 41 Spielen 16 Tore erzielt, galt als eines der spannendsten Talente Europas. Dass er trotzdem in Wolfsburg landete, liegt, neben Magaths Sichtungsgeschick und den VW-Millionen, auch am Wesen des Bosniers, an einer Art Restphlegma. Džeko, der im Horror des Balkankrieges aufwuchs, hatte sich auch immer wieder nahezu durchsichtig gemacht. Und so blieb die Unsicherheit, ob er dem Übergang in eine der Topligen Europas gewachsen war. Magath aber gab er ihm Zeit zur Akklimatisierung im Neuland-Zirkus Bundesliga. Mehr als ein Jahr konnte sich Džeko im Kernschatten Grafites entwickeln.

Jetzt, da Grafite mit anhaltenden Knieproblemen ausfällt, steht der einstige Lehrling plötzlich im Rampenlicht. Arsenal-Coach Arsene Wenger schickte erst kürzlich Liebesgrüße aus London. Er traue ihm zu, sich dauerhaft in der Premier-League durchzusetzen. Kein Wunder. Denn Džeko erinnert in seinen besten Momenten an einen der ganz Großen. Seine fließenden Bewegungen und seine Technik, alles wirkt wie ein Kopie Dennis Bergkamps. Und der Holländer hatte zwar Flugangst, aber einen großen Bruder brauchte er nicht.

LUCAS VOGELSANG

Fotohinweis:EDIN DŽEKO, 22, wurde in Wolfsburg systematisch aufgebaut und sonnt sich jetzt gern – auch im Rampenlicht.  FOTO: DPA