Mit offenen Ohren und Bürgernähe im Kampf um Wählerstimmen

Das neu gegründete Kölner „Bürger Bündnis“ will in Fraktionsstärke in den Stadtrat einziehen. Die Strategie: Wenige Themen, aber viel Gehör für Bürger und Bürgerinnen

KÖLN taz ■ Das Kölner „Bürger Bündnis“ strahlt Zuversicht aus. „Wir holen mindestens zehn Prozent“, sagt Martin Müser, Vorstand der Wählergemeinschaft. Nach einer kurzen Pause bekräftigt er, dass für ihn und die rund 80 Mitglieder der Einzug in den neuen Stadtrat in Fraktionsstärke das Minimum sei.

Den Einzug in den Stadtrat mit möglichst vier Mandaten will das „Bürger Bündnis“, das Mittwochabend sein Wahlkampfbüro am Eigelstein eröffnete, vor allem mit „offenen Ohren“ erreichen. „Den Bürger anhören, dann ist schon viel gewonnen“, so Müser. Als Beispiel führt er Planungen der Stadt Köln an, die seiner Auffassung nach an der Bevölkerung vorbei laufen: etwa die Baupläne im Mülheimer Süden in einem Überschwemmungsgebiet oder die Planung für den Maternusplatz in Rodenkirchen. In keinem der beiden Fälle, so Möser, seien die Bürger eingebunden worden; deshalb gebe es auch keine Akzeptanz für die Projekte.

Entsprechend kleinräumig sind die Schwerpunkte der freien Wählergemeinschaft, die von unterschiedlichen Initiativen unterstützt wird. Darunter „Eltern pro Bildung“, die für eine bessere Unterrichtsversorgung eintreten und die Initiative Kölner Sportvereine, die gegen Hallennutzungsgebühren opponiert.

Dass Kommunalpolitik aus mehr besteht, als im Veedel zu wirken, weiß Müser, der als Immobilienverwalter tätig ist und an der Uni Siegen Betriebswirtschaft lehrt, aber auch. „Wenn wir an die Grenzen unserer Kompetenz beispielsweise bei Fragen zur Wirtschaftspolitik stoßen, holen wir uns Sachverstand von außen. Kommunalpolitiker sollten nicht so tun als würden sie sich auf allen Gebieten auskennen und alles können.“ Die Frage wie das städtische Haushaltsloch zu stopfen sei, beantwortet Müser schnell: „Wir können keine Millionen aus dem Hut zaubern“. Unerlässlich sei aber ein so genannter Bürgerhaushalt. Mit dessen Hilfe sollten Bürger mitentscheiden können, was mit ihrem Geld geschieht.

Potenzielle Wähler vermutet das Bündnis sowohl bei den 8.000 in Köln lebenden deutschstämmigen Russen, als auch bei den rund 100.000 Türken. Abdullah Emili, ehemaliges SPD-Mitglied und jetzt beim „Bürger Bündnis“ engagiert: „Bei der SPD wurden wir Türken mit unseren Anliegen nicht gehört. Deswegen werden uns jetzt viele wählen.“ Um einen Sitz im Rat zu ergattern, reichen etwa 2.800 Stimmen, vorausgesetzt die Wahlbeteiligung liegt am 26. September ähnlich niedrig wie bei der letzten Europawahl. Die Chancen für den Einzug ins Rathaus könnten also nicht schlecht stehen.

Auf den ersten beiden Listenplätzen kandidieren mit der ehemaligen Grünen Petra May und dem ehemaligen SPD-Mitglied Anita Cromme zwei Frauen für das „Bürger Bündnis“, denen das Ratsgeschäft nicht fremd ist. Es folgen der Vorsitzende Martin Müser und Elke Stucken auf den Plätzen drei und vier. Die beiden Spitzenkandidatinnen genießen zumindest bei ihren früheren Parteifreunden als „Abtrünnige“ keinen guten Ruf. Und bei der harten Konkurrenz um die Ratssessel dürfte es reichlich Häme geben, wenn sie scheitern würden. Wolfgang Jorzik