Zum Heulen: Tränenpalast zittert weiter

Der Tränenpalast ist gerettet, sagt die SPD nach der Sitzung im Vermögensausschuss. Glauben wir nicht, sagen Grüne, FDP und CDU, weil der Beschluss bestehenden Verträgen widerspricht. Betreiber des Tränenpalastes wollen klagen

„Die Zukunft des Tränenpalastes ist sichergestellt“ – sagt Bert Flemming (SPD), Vorsitzender des Vermögensausschusses im Abgeordnetenhaus. Sein Ausschuss hat am Mittwoch einem Antrag der Regierungskoalition zugestimmt, der den Zugang und damit den Betrieb des Tränenpalastes sichern soll:

Ein drei Meter breiter Randstreifen von benachbarten Grundstücken, die vom Land an den Investor Harm Müller-Spreer verkauft wurden, soll für den Tränenpalast abgeknapst werden und als öffentlicher Zugang zu dem Veranstaltungsort dienen. Außerdem wollen die Abgeordneten Müller-Spreer verpflichten, möglichen Baulärm zu begrenzen, damit Veranstaltungen nicht gestört werden. Ob der Projektentwickler diesen Veränderungen allerdings zustimmt, ist noch offen.

Die Vorgeschichte: Im Jahr 2000 kaufte der Hamburger Investor das nördliche Nachbargrundstück des Tränenpalastes, das „Spreedreieck“, um dort Wohnungen und Büros zu bauen. Ein Jahr später stellte sich heraus, dass Berlin Land verkaufte, das zum Teil der Deutschen Bahn gehört hatte. Außerdem war die Fläche teilweise als Bauland nicht nutzbar. Müller-Spreer hat zwar bezahlt, konnte aber bis heute nicht bauen. Würde der Investor von dem Vertrag zurücktreten, entstünde Berlin ein Minus von 45 Millionen Euro.

Ein Vergleich zwischen Berlin und Müller-Spreer soll den Schaden begrenzen. Der Projektentwickler bekommt 8 Millionen Euro und zwei zusätzliche Grundstücke, die direkt am Tränenpalast liegen – minus des Randstreifens, wie gestern beschlossen.

„Der Investor könnte weiteren Schadensersatz fordern“, kritisiert dagegen Alexander Kaczmarek, haushaltspolitischer Sprecher der CDU. Die Randstreifenlösung sei nicht Teil des ursprünglichen Vertrags. Außerdem stelle „der Beschluss den Fortbestand des Tränenpalastes wieder in Frage“. „Die Änderungen sind das Papier nicht wert, auf dem stehen“, meint die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Alice Ströver. Es gebe keine verbindliche Zusage, dass der Tränenpalast den benachbarten Biergarten weiter nutzen kann – dieser ist für das wirtschaftliche Überleben aber unverzichtbar. Der Biergarten soll laut Beschluss von gestern im Besitz des Landes Berlin bleiben. „Diese Regelung macht überhaupt keinen Sinn“, findet Sibylle Meister von der FDP. „Entweder kriegt der Tränenpalast oder der Investor das Grundstück – so wie es ist, bleibt es unklar“, meint die haushaltspolitische Sprecherin der Liberalen. Für Meister gibt es drei Verlierer: den Steuerzahler, den Tränenpalast und den Investor, der bei null beginnen könne.

Auch Karsten Borsdorf vom Tränenpalast befürchtet, dass die Entscheidung „die Vernichtung“ des Tränenpalastes billigend in Kauf nehme. „Wir werden dagegen juristisch vorgehen.“ Das Verwaltungsgericht werde die Pläne des Senats kippen, hofft Borsdorf. Schließlich seien Zusagen nicht eingehalten worden, denn die an Müller-Spreer abgegebenen Grundstücke seien ursprünglich dem Tränenpalast versprochen worden. FELIX WADEWITZ