Marcell Jansen, wieder Nationalspieler
: Links vorne alt werden

Er ist sichtlich gealtert. Nicht im Gesicht, wo nach wie vor keine Falte zu sehen ist. Dafür aber auf dem Platz. Marcell Jansen hat sich von sich emanzipiert. Sein Tor gegen Liechtenstein, ein sehenswerter Abstauber, war so etwas wie der zwangsläufige Schritt in Jansens Initiationsgeschichte, der Entwicklung weg vom Zweifel behafteten Talent.

Es ist nicht einmal ein Jahr her, da schien sich Jansen selbst verloren zu haben. Unter dem ständigen Münchner Hoeneß-Druck war ihm seine Unbekümmertheit abhanden gekommen. Jansen lief, doch er lief nur mit. Im Schatten von Lahm und Ribery begann er zu welken. Und gleichzeitig wuchsen die Zweifel.

Jansen, der erst ein Jahr zuvor aus Gladbach nach München gewechselt war, schien den Weg so vieler junger deutscher Spieler zu gehen, die beim FC Bayern gescheitert waren und deren Karriere danach nie wieder richtig an Fahrt aufgenommen hatte. Beim HSV aber glaubten sie fest an ihn, legten zehn Millionen auf den Tisch und feierten den verwegenen Transfercoup. „Marcell hat sein internationales Niveau bereits nachgewiesen und wird uns deutlich voranbringen“, sagte damals Bernd Hofmann. Doch zunächst sah es so aus, als hätten sich die Hamburger personell verkalkuliert. Eigentlich sollte Jansen Atouba ersetzen. Links hinten. Doch der blieb und für Jansen war kein Platz mehr.

Jansen schleppte sich durch bis er durch die Verletzungskrise in der Offensive zurück ins Team gespült wurde und seinen Platz fand. Links. Aber weiter vorne. Dort blühte er auf. Mittlerweile spielt er wieder schnell, dribbelstark und manchmal sogar mutig. Er traf doppelt gegen Leverkusen, war auf Schalke einer der besten und ist seit Samstag wieder ein richtiger Nationalspieler. Und das nicht mehr als Talent mit Perspektive, sondern als vollwertige Alternative. Links vorne. Und hinten. LUCAS VOGELSANG

Fotohinweis:MARCELL JANSEN, 23, HSV-Spieler, ist dribbelstark und manchmal sogar mutig und wieder Nationalspieler. FOTO: DPA