NALDO, ABWEHRSCHRECK
: Das zweite Gesicht

■ eigentlich Ronaldo Aparecido Rodrigues, oszillierte bei Werder anfangs zwischen Weltklasse und Kreisliga-Eiertänzen.  Foto: dpa

Als der Ball das Netz hinter Bochums Torhüter Fernandes verformte, blitzte es wieder auf: das zweite Gesicht des Naldo. Wieder einmal hatte er sich vom Offensivtaumel mit nach vorne reißen lassen. Als er bemerkte, dass ihn niemand ernst zu nehmen schien, wuchtete er den Ball kurzerhand ins rechte, untere Eck. Der Treffer zum 2 : 2 war einer dieser Momente, in denen Naldos unkonventionelle Interpretation eines Verteidigers ihre Vollendung fand. Sind doch gerade die Kraftakte aus der Ferne Symbole für Naldos Spiel: entweder Schweinsledergeschosse mit Kometenschweif – oder lächerlich ungenaue Rollbomben.

Und so ist Naldo selbst: Der 26-Jährige ist noch immer kein Verteidiger, der seinen Gegenspielern mit der Stoa eines Schachgroßmeisters den Ball vom Fuß streichelt. Nicht selten wirkt der 1,98-Meter-Hüne auch heute noch wie ein hyperaktiver Schuljunge auf dem Bolzplatz. Dann übermannt ihn dieser Übermut, der ihn aus der Viererkette nach vorne treibt. Dorthin, wo er den Spaß vermutet. Nicht selten entwickelt er sich dann aber auch zum Destabilisator seiner Mannschaft.

Oft genug stand er deshalb zur Diskussion. Nur liegen in dieser überkandidelten Zirkusshow Erfolg und Misserfolg so eng beieinander, dass nicht klar ist, ob man Naldo nicht seiner Stärken beraubt, wenn man ihm seine Schwächen nimmt. Gegen Hertha BSC verschuldete er geradezu clownesk die späte Niederlage. Gegen Bochum rettete er so das Spiel. Beide Mal war es derselbe Naldo, beide Male waren es Millimeter, die über Glück und Unglück entschieden.

So spiegelt sich in Naldos fußballerischer Bipolarität auch die paradoxe Spielzeit des SV Werder: In den nächsten Wochen können die Bremer aus der schlechtesten Saison der Vereinsgeschichte nun doch noch die erfolgreichste machen. Naldo werden sie dabei ganz besonder brauchen. LUCAS VOGELSANG