Als Bankräuber am Verhandlungstisch

Eigentor der IRA erleichtert neuen Anlauf zu Nordirland-Gesprächen. Sinn Féin muss mit Sanktionen rechnen

DUBLIN taz ■ Eigentlich habe er gar keine Lust, sagte der irische Premierminister Bertie Ahern. Aber nichts zu tun sei ja auch keine Lösung. Heute trifft sich Ahern also mit dem Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams. Seine Unlust rührt daher, dass die IRA, der militärische Flügel von Sinn Féin, im Dezember den größten Bankraub in der britischen Geschichte verübt haben soll.

Die Räuber waren in die Privathäuser von zwei Geschäftsführern der Northern Bank in Belfast eingedrungen und hatten die Familien als Geiseln genommen. Die beiden Bankiers mussten am nächsten Tag zur Arbeit gehen. Kurz vor Geschäftsschluss ließen sich die Bankräuber von den Geschäftsführern den Safe öffnen und entkamen mit 26 Millionen Pfund (37,5 Millionen Euro). Die Geiseln kamen frei. Von der Beute ist bisher nichts aufgetaucht. Da jede Bank in Nordirland ihr eigenes Geld herausgibt, ist es schwierig, die Banknoten in unverdächtige Scheine umzutauschen.

Hugh Orde, Nordirlands Polizeichef, ist davon überzeugt, dass die IRA hinter dem Bankraub steckt. Angeblich stehen Verhaftungen unmittelbar bevor. Er nannte sogar die Namen der mutmaßlichen Täter – alles hochrangige IRA-Mitglieder der Belfaster Brigade. Sie sollen sich in der Planungsphase mit führenden Sinn-Féin-Politikern getroffen haben, darunter Adams. Die Beute soll sich inzwischen in Verstecken entlang der inneririschen Grenze befinden.

Falls Orde Beweise dafür hat, muss Sinn Féin mit Sanktionen rechnen. So könnten die Gehälter der Sinn-Féin-Abgeordneten in London und Dublin eingefroren und die Parteimitglieder für ein Jahr aus allen öffentlichen Ämtern entfernt werden.

Vielleicht schlägt Ahern aber auch ein Geschäft vor, um den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Nordirlands Mehrparteienregierung mit Sinn-Féin-Beteiligung und das Regionalparlament sind vor zwei Jahren aufgelöst worden, weil die protestantischen Unionisten dem Waffenstillstand der IRA misstrauten. Im Dezember hat die IRA nun ihre vollständige Entwaffnung angeboten. Eine Einigung scheiterte daran, dass Protestantenführer Ian Paisley die Waffenausmusterung fotografieren lassen und die Fotos veröffentlichen will. Die IRA müsse gedemütigt werden, sagte Paisley. Möglicherweise muss Adams dem nun zustimmen.

RALF SOTSCHECK