Begrenzter Langzeiteffekt

Arminia Bielefeld feiert sein 100-jähriges Jubiläum. Vielleicht bald ohne den Trainer. Am Ende einer der erfolgreichsten Spielzeiten, droht das ostwestfälische Team in seine Einzelteile zu zerfallen

AUS BIELEFELDFLORIAN BAUER

100 Jahre ist der Deutsche Sport-Club Arminia Bielefeld in diesen Tagen alt geworden. Und fast 40 davon hat Hans-Joachim Scholz miterlebt. Seit 1967 ist er im Verein tätig, erst als Stadionverwalter, jetzt als Koordinator der Amateurmannschaften. Der Verein ist sein Zuhause. Er kennt jeden, vom E-Jugend-Spieler, über den Platzwart bis zum Trainer. Vor Jahren hat der 70-Jährige mal selbst ein paar Wochen die Profis trainiert – lange vorbei.

Es war eine aufregende Saison in Bielefeld. Die Arminia hat sehr ansehnlichen, offensiven Konterfußball gespielt. Hans-Joachim Scholz, den alle nur Hannes rufen, sagt, es sei der attraktivste Fußball, den Arminia je gespielt hat. Erstmals seit acht Jahren haben sie wieder die Bayern geschlagen. Dummerweise nur einmal. Trotzdem war das Erreichen des Halbfinales im DFB-Pokal der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Bisher hat man zwei achte Plätze in der Bundesliga aufgelistet, irgendwann in den 1980ern. Westfälischer Pokalsieger, Westdeutscher Meister, Westfalen-Meister. Alles schon lange her. Und sieben Aufstiege in die erste Liga. Rekord.

Von der Vereinsgeschichte ist in diesen Tagen des 100-jährigen Jubiläums viel die Rede in Ostwestfalen. Die Menschen hier gelten als grundsolide, als fleißig und verschlossen. Selbst vor dem Wort bieder schreckt man nicht zurück, wenn man den eigenen Charakter beschreiben soll. Man ist stolz darauf. 1986 nach dem Abstieg in die damalige dritte Liga, Oberliga West, besaß der Club „nur noch einen Ball und einen Eimer Kreide“, wie Schatzmeister Hubert Neugebauer damals sagte. Bis vor sieben Jahren haben sie das Ergebnis im Stadion noch mit Schiefertafeln angezeigt. Heute steht Arminia finanziell so gut da wie noch nie.

Der Verein hat einen kräftigen finanziellen Überschuss erwirtschaftet, baut ein neues Jugendzentrum, will das Stadion irgendwann ab 2007 auf 30 Tausend Plätze erweitern und hat erstmals in der Vereinsgeschichte die Lizenz der DFL ohne Bedingungen erhalten. Und trotzdem sagt der Trainer, Uwe Rapolder: „Das bringt keinem was, wenn wir nächste Saison auf Platz 17 stehen und ausgepfiffen werden.“ Es ist Erfolg mit begrenztem Langzeiteffekt.

Denn Bielefeld hat seine Mannschaft verkauft. Fünf Stamm- und noch viel schlimmer Perspektivspieler verlassen den Verein, darunter die Stützen der erfolgreichen Saison, Owomoyela (Werder Bremen) Skela (Kaiserslautern) und Buckley (Borussia Dortmund). Also überlegt der Trainer schon seit Wochen, ob er sich einen weiteren Neuanfang wirklich antun will – er hat schon so viele Neuanfänge als Trainer erlebt, in St. Gallen, in Mannheim und in Ahlen. Bielefeld hat ihm angeboten, seinen Vertrag bis 2007 noch einmal finanziell aufzubessern.

Nun ist eine Entscheidung gefallen. Uwe Rapolder sagt, nach dem Spiel gegen Schalke an diesem Samstag werde er sich entscheiden. Nachdem der Abschied von Huub Stevens beim Aufsteiger 1. FC Köln offiziell ist, dürfte es Rapolder in die Domstadt ziehen. Kölns Manager Rettig will zwar zu der Personalie nichts sagen, ein Treffen zwischen beiden hat es aber schon gegeben. „Schade“ wäre es, wenn Rapolder ginge, sagt Hannes Scholz. Aber auch nach Rapolder werde hier Fußball gespielt.

So etwas Ähnliches sagt auch Thomas von Heesen. Seit elf Jahren ist er bei Arminia Bielefeld. Jetzt ist er Sportdirektor, früher gehörte er zu der Prominenten-Truppe um Europameister Stefan Kuntz und Ex-Bundesliga-Torschützenkönig Fritz Walter, die 1996 den Durchmarsch aus der Regionalliga in die Bundesliga schaffte. Von Heesen klingt etwas genervt. Das sei doch in Bielefeld schon immer so gewesen, „dass gute Spieler gehen.“ Und jetzt könnte es eben der Trainer sein. Ein neuer steht schon bereit. Ernst Middendorp. Mit 68 Spielen ist er der dienstälteste ehemalige Trainer der Arminen. Er war während der Zeit von Kuntz, Walter und von Heesen tätig. Nach seiner Zeit als Nationaltrainer Ghanas ist er nun wieder arbeitslos und könnte Rapolders Systemfußball fortsetzen. Bielefeld wird die nächsten Jahre trotzdem nur um den Klassenerhalt spielen, ist sich Hans-Joachim Scholz sicher. „Das ist bei uns eben so.“