Kürzungen bei der Bildung in Berlin: Schlechte Noten für Bildungsplan

Die Bil­dungs­ex­per­t*in­nen der Koalitionsfraktionen befürchten Kürzungen im Bildungshaushalt. Sie machen eine Mahnwache ab Donnerstag.

Stühle in einer Schulklasse, auf der Rückseite des einen hat jemand Berlin getaggt

Braucht dringend mehr Plätze: Berliner Schulen Foto: picture alliance/dpa | Britta Pedersen

BERLIN taz | Die Bil­dungs­ex­per­t*in­nen in der rot-grün-roten Koalition sind sauer. Die geplanten Kürzungen im aktuellen Haushaltsentwurf seien „kontraproduktiv“, schreiben die Spre­che­r*in­nen der Landesarbeitsgemeinschaften der drei Koalitionsfraktionen in einem gemeinsamen Schreiben an die Fraktionsspitzen ihrer Parteien. Als Betreff des Schreibens, das der taz vorliegt, haben sie gewählt: „Quo vadis Schule in Berlin?“ „Wir empfehlen euch“, heißt es mit Blick auf die befürchteten Sparmaßnahmen, „deren Korrektur“.

Am Freitag kommt der Bildungsausschuss im Abgeordnetenhaus zur entscheidenden Lesung über den Bildungshaushalt für dieses und das kommende Jahr zusammen – und der Druck auf die Abgeordneten erhöht sich, befürchteten Kürzungen für den Schulbereich im rot-grün-roten Haushaltsentwurf entgegenzusteuern. Von allen Seiten erreichten die Bil­dungs­po­li­ti­ke­r*in­nen von SPD, Grünen und Linken in den vergangenen Tagen Appelle, sich gegen die teils drastischen Kürzungen etwa im Bereich Schulneubau oder beim Personal für die Inklusion einzusetzen.

Im Neubauprogramm für die Grundschulen etwa sind rund 83 Millionen Euro weniger eingeplant als ursprünglich im Haushaltsentwurf für 2022/23 des Landes für diesen Zeitraum vorgesehen. Bei den Modularen Ergänzungsbauten, mit denen an bereits bestehenden Schulstandorten schnell zusätzliche Plätze geschaffen werden sollen, sieht es ähnlich aus: Statt 170 Millionen Euro soll es nur noch 130 Millionen Euro geben.

Die Finanzverwaltung begründet das nach taz-Informationen zum einen damit, dass man die Budgets an den tatsächlichen Mittelabfluss der letzten Jahre angepasst habe. Man wolle die Titel nicht „überzeichnen“, denn schließlich werde Geld auch an vielen anderen Stellen dringend gebraucht.

Raumkapazitäten schon vor Ukraine-Krise ausgelastet

Zum anderen verlangt die Finanzverwaltung, wie die taz berichtet hatte, von der Bildungsverwaltung genauere Prognosen zur Schü­le­r*in­nen­zahl in den kommenden Jahren bis 2030. Weil in einigen Bezirken wie etwa Mitte die Prognosezahlen sogar leicht rückläufig sind, tut man sich offenbar schwer, mehr Geld herauszurücken.

Die mangelhafte Zahlengrundlage frustrierte zuletzt auch die an den Haushaltsverhandlungen beteiligten Abgeordneten: „Jede Senatsverwaltung präsentiert uns andere Zahlen“, hatte Louis Krüger, schulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, der taz gesagt. Das erschwere eine gute Verhandlungspostion gegenüber der Finanzverwaltung. Die beteiligten Verwaltungen wollten sich deshalb auch diese Woche nochmal zu klärenden Gesprächen über die tatsächlichen Bedarfszahlen zusammensetzen.

Der Unmut sämtlicher Ak­teu­r*in­nen im bildungspolitischen Bereich dieser Stadt ist inzwischen jedenfalls beträchtlich. Auch sämtliche großen Schul­lei­te­r*in­nen­ver­bän­de hatten sich am Mittwoch in einem gemeinsamen Schreiben an die Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) und die Fraktionsspitzen der Koalition zu Wort gemeldet. Die Schulen seien bereits seit vielen Jahren „über ihre Raumkapazität ausgelastet“. Nun komme auch noch die Ukraine-Krise dazu mit vielen geflüchteten Kindern, die ebenfalls und nicht nur kurzfristig mit Schulplätzen versorgt werden sollen.

„Eine weitere Verdichtung des schulischen Lebens ist nicht möglich“, schreiben die Schulleiter*innen. Neue, zusätzliche Gebäude würden „dringend und zeitnah benötigt“. Dafür bedürfe es in den kommenden Jahren statt Sparrunden „sogar einer weiteren Erhöhung der Mittel für den Schulneubau“.

Zweiter Aufreger: Schulsozialarbeit

Zweites großes Aufregerthema, neben den fehlenden Neubaumitteln, sind für die Schulen die Mittel für die Schulsozialarbeit und -psychologie. „Multiprofessionelle Teams“ heißt das im Koalitionsvertrag, ein erklärtes Ziel von Rot-Grün-Rot. Gemeint sind damit quasi alle Stellen an Schulen, die nicht Lehrkräfte sind.

Man vermisse „eine nennenswerte Erhöhung der Kapazitäten bei pädagogischen Unterrichtshilfen, Betreuer*innen, Schulassistenzen oder weiteren Gruppen, die den Schulalltag für alle erleichtern würden“, heißt es von den Landesarbeitsgemeinschaften Bildung. 1,3 Millionen Euro sind im Haushaltsentwurf vorgesehen – 15 Millionen wären aus Sicht der LAG-Sprecher*innen schon eher ein Zeichen gewesen, „dass Inklusion ein ernsthaftes Anliegen der Koalition ist.“

Auch die Schul­lei­te­r*in­nen sagen: Gerade nach der Pandemie und im Angesicht der vielen geflüchteten Kinder mit Hilfebedarf ist zu wenig Geld da für einen „Blick nach vorn“.

Am Donnerstagnachmittag ab 17 Uhr bis Freitagnachmittag protestiert das Bür­ge­r*in­nen­bünd­nis „Schule muss anderes“ gemeinsam mit dem Landeselternauschuss und der Gewerkschaft GEW vor dem Abgeordnetenhaus gegen die Mittelkürzungen. Am Freitag um 15.30 Uhr soll auf einer Kundgebung ein Offener Brief an die Abgeordneten übergeben werden.

Am 8. Juni wird der Hauptausschuss die letzten finalen Änderungen im Gesamt-Haushalt beschließen. Dann hat am 23. Juni das Parlament das letzte Wort und muss den Doppelhaushalt für die Jahre 22/23 verabschieden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.