Die Swapo blockiert

AUS WINDHOEKROLF-HENNING HINTZE

Im kleinen Ort Okakarara vor der Kulisse des Waterberg-Massivs hielt Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im August 2004 die wohl wichtigste Rede, die ein Deutscher je in Namibia gehalten hat.

Während der Feier im Gedenken an die Schlacht, mit der vor 100 Jahren der deutsche General Lothar von Trotha die weitgehende Vernichtung des Herero-Volkes im damaligen Deutsch-Südwestafrika einleitete, bat sie um Entschuldigung für den deutschen Völkermord. Sämtliche namibischen Parteien und auch Chief Riruako, der traditionelle Führer der Herero, priesen den Mut der SPD-Ministerin.

Ein Jahr später macht sich indes fast überall Enttäuschung breit. Namibias Premierminister Nahas Angula meint zwar, die Rede sei „ein guter Anfang“ gewesen. Aber dann sagt er gegenüber der taz: „Wir erwarteten, dass nun Aktivitäten folgen würden, um den Willen der deutschen Regierung zu zeigen“, doch bislang gebe es keinerlei Greifbares. Er habe fast den Eindruck, die Sache sei langsam gestorben. „Die deutsche Regierung hat uns nie einen Plan vorgelegt.“

Mehrere namibische Oppositionsparteien sehen das ganz anders. Sie stimmen zwar zu, dass sich bei der deutschen Regierung über Monate hinweg kaum etwas bewegte, meinen aber, Wieczorek-Zeul habe dann doch einen wichtigen Vorschlag gemacht. In einer Rede in Düsseldorf gab sie Ende Mai ihre Bereitschaft zu erkennen, einer „Deutsch-namibischen Initiative für Versöhnung und Entwicklung“ zehn Jahre lang jährlich zwei Millionen Euro zukommen zu lassen. Die Gelder – die zusätzlich zur regulären deutschen Entwicklungshilfe für Namibia geplant sind – sollen ausschließlich Projekten in Regionen zugute kommen, die überwiegend von den Herero, Nama und Damara besiedelt sind – jenen Völkern also, die am meisten unter den Deutschen gelitten haben.

Die stärkste Oppositionspartei im Parlament, der Kongress der Demokraten, CoD, und die von Häuptling Riruako geführte Herero-Partei Nudo werfen der regierenden früheren Befreiungsbewegung Swapo vor, das Angebot der deutschen Seite nicht aufgegriffen zu haben.

Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass die Swapo einen Kabinettsbeschluss als Voraussetzung für die Realisierung der „Versöhnungs- und Entwicklungsinitiative“ verzögert, wenn nicht gar blockiert. Nora Schimming-Chase, Vizevorsitzende der größten Oppositionspartei, sagte der taz: „Ich kann keinen Grund finden, warum unsere Regierung nicht schon vorgestern hätte unterschreiben können, es sei denn weil es um Herero, Damara und Nama geht.“ Die Oppositionsführerin wirft der Swapo daher Ethnozentrismus vor: Seit der Unabhängigkeit Namibias würden vor allem die Interessen der Ovambo-Bevölkerung im Norden bedient. So wolle man sich die Macht sichern. Die Versöhnungsinitiative sei nun schon vor einem Jahr gestartet worden, doch „nichts ist passiert“.

Auch für den Herero-Häuptling Riruako liegen die Gründe für das Zögern der Regierung auf der Hand: „Weil das Geld nicht in den Norden geht“, sagte er der taz. Fast alle deutschen Entwicklungsgelder für Namibia seien bisher in die Ovambo-Siedlungsgebiete im Norden gegangen. Dagegen seien die anderen Regionen stark vernachlässigt worden. Namibias Regierung solle akzeptieren, dass Gelder auch mal in Regionen fließen, wo sie den Opfern der deutschen Kolonialherrschaft zugute kämen. Und Oppositionsführerin Schimming-Chase, früher Botschafterin Namibias in Deutschland, ergänzt: „Was die Herero brauchen, ist gar nicht so viel, vielleicht eine Straße, damit sie ihre Rinder verkaufen können, vielleicht ein paar Wasserstellen.“

Angesichts des Zögerns Namibias schätzen viele Beobachter die Chancen der „Versöhnungsinitiative“ nur noch als gering ein. Der deutsche Botschafter in Windhoek, Wolfgang Massing, will sich dazu nicht äußern. Der vom Bundesentwicklungsministerium eingesetzte Koordinator Karl Ahlers, früherer Landesdirektor des Deutschen Entwicklungsdienstes in Namibia, ist optimistischer. Er hält es für möglich, den Prozess jetzt so rasch zu formalisieren, dass bis Ende des Jahres doch noch die ersten Projekte beginnen könnten.

Einzig sichtbarer Ausdruck der Versöhnungsbemühungen ist das deutsche Kulturzentrum in Okakarara, in dem auch die Geschichte des Krieges gegen die Herero thematisiert wird. Eine Entwicklungshelferin des DED leitet dieser Tage das erste Jugendcamp für namibische und deutsche Jugendliche.