Grüne Bezirksfraktion spaltet sich: Extreme Mitte

Zwei Abgeordnete der Grünen-Fraktion in Hamburg-Mitte werden islamistischer Umtriebe verdächtigt. Nun wackelt die grün-rote Mehrheit.

Mitglieder stimmen auf der Landesmitgliederversammlung der Grünen über einen Antrag ab.

So harmonisch wie hier bei der Landesmitgliederversammlung läuft es in Mitte gerade nicht Foto: dpa

HAMBURG taz | Hoch her geht es derzeit bei den Grünen im Kreisverband Hamburg-Mitte. Am Wochenende ist dort ein Konflikt ausgebrochen, der Partei und Fraktion im Bezirk spalten könnte. Denn die eigentlich 16-köpfige Fraktion der Grünen in der Bezirksversammlung besteht nur noch aus zehn Mitgliedern, sechs Abgeordnete wollen nicht mitmachen. Und das gefährdet kurzfristig die grün-rote Mehrheit im frisch gewählten Kommunalparlament (siehe Kasten).

Grund sind Extremismusvorwürfe gegen die beiden Parlamentarier Fatih-Can Karismaz und Shafi Sediqi, die am gestrigen Montag nicht erreichbar waren. Der eine soll sich proislamistisch geäußert haben, der andere Spenden gesammelt haben für eine Organisation, die dem IS nahesteht. „Es handelt sich um sehr schwerwiegende Vorwürfe“, bestätigt die grüne Landesvorsitzende Anna Gallina.

Um Klarheit in die Vorgänge zu bringen, hat sie die beiden Beschuldigten schriftlich zu einer Anhörung geladen. Zugleich stellt sie aber bereits klar, dass sie ein Parteiordnungsverfahren „in Erwägung“ zieht. Den beiden droht also der Rauswurf aus der grünen Partei. „Wir Grüne zeigen klare Kante gegen jede Form von Extremismus. Sonst machen wir uns unglaubwürdig“, so Gallina.

Konkret wird einer der beiden beschuldigt, zweimal über Facebook zu Spenden für die islamische Hilfsorganisation Ansaar International mit Hauptsitz in Düsseldorf aufgerufen zu haben. Sie soll Teil eines islamistisch-salafistischen Netzwerks sein und aktiv die in Deutschland als islamistische Terrorgruppe geltende palästinensische Hamas unterstützen. Am 10. April wurden in sechs Bundesländern 90 Büros von Ansaar von der Polizei durchsucht. Der zweite Abgeordnete soll der islamischen Bewegung Milli Görüş nahestehen.

Bei den Bezirkswahlen am 26. Mai wurden die Grünen mit 28,8 Prozent (+11,1%) erstmals stärkste Partei vor dem bisherigen Koalitionspartner SPD mit 28,6 Prozent (-8,7%). Mit Abstand folgten dahinter die Linke mit 16,6 Prozent vor der CDU mit 12,9 Prozent, abgeschlagen sind AfD mit 7,7 Prozent und FDP mit 4,8 Prozent.

Die Sitzverteilung ergab 16 Mandate für die Grünen und 14 für die SPD – und somit für Grün-Rot eine klare Mehrheit im 51-köpfigen Bezirksparlament. Linke (8 Mandate), CDU (6) AfD (4) und FDP (3) kommen zusammen auf 21 Sitze.

Zum Eklat kam es am Freitagabend bei der konstituierenden Sitzung der Bezirksfraktion, die am 26. Mai neu gewählt worden war. Nur zehn Abgeordnete schlossen sich ihr an, das bestätigte der neue Fraktionsvorsitzende Manuel Muja auf Anfrage der taz. Die beiden Beschuldigten seien gar nicht erst zur Sitzung erschienen, nachdem die Fraktionsmehrheit sich einig gewesen war, sich vorläufig ohne sie zu konstituieren. Es sei „dringend nötig“, so Muja, „dass zunächst den im Raum stehenden Vorwürfen in einem offiziellen, transparenten und fairen Verfahren nachgegangen wird, bevor eine Zusammenarbeit möglich ist“.

Daraufhin hatten sich vier weitere Abgeordnete mit den beiden Beschuldigten solidarisiert. Diese Einschätzung findet Muja „unverständlich“. Dadurch machten die vier deutlich, „dass diese schwerwiegenden Vorwürfe Ihnen offensichtlich nicht wichtig genug sind, um sie in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu überprüfen“.

Für Stellungnahmen erreichbar war am gestrigen Montag niemand der sechs, was sie vorhaben, ist noch unklar. Sollten sie eine eigene Fraktion in der Bezirksversammlung bilden, würden die Grünen ihren Status als stärkste Fraktion an die SPD verlieren und damit den Anspruch, den/die LeiterIn des Bezirksparlaments zu stellen. Zugleich würden Grüne und Rote dann nicht mehr über die Mehrheit im Plenum verfügen. Dafür bräuchten sie dann einen dritten Koalitionspartner: Linke, CDU und FDP kämen dafür zumindest rein rechnerisch infrage.

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