Wohnungskarussell für Schutzsuchende

Für Geflüchtete ist es eine große Erleichterung, wenn sie eine Unterkunft mit eigener Küche und Bad bekommen. Doch viele müssen ihre Wohnung schon bald wieder verlassen – weil die Unterkünfte in Sozialwohnungen umgewandelt werden

„Für Geflüchtete werden die Unterkünfte mit Perspektive Wohnen zu einem bloßen Verschiebebahnhof“

Carola Ensslen, integrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion

Von Yasemin Fusco

Es klingt unsinnig: Geflüchtete müssen ihre „Unterkünfte mit Perspektive Wohnen“ (UPW) verlassen, um eventuell wieder einziehen zu dürfen. „Unterkünfte mit Perspektive Wohnen“ sind von Fördern und Wohnen betriebene Folgeeinrichtungen mit richtigen Wohnungen. Aus ihnen sollen nach einiger Zeit ganz normale Sozialwohnungen werden. Eine der Unterkünfte, aus denen jetzt Geflüchtete ausziehen mussten, wurde erst Ende des Jahres 2017 eröffnet, eine andere im Oktober 2018. Seit Januar 2019 mussten bereits 77 Geflüchtete, darunter acht Familien mit schulpflichtigen Kindern, ausziehen. Das geht aus einer Anfrage der Linken-Fraktion an den Senat hervor.

Die Unterkünfte mit Perspektive Wohnen, die in Bergedorf, Eimsbüttel und Poppenbüttel liegen, haben einen besseren Standard als sogenannte Unterkünfte in „Modulbauweise“, also Holz-Container. Aus Mangel an Alternativen müssen Geflüchteten, die die UPWs verlassen, meist in solche Holz-Container umziehen. Eigene Küchen und Badezimmer haben sie dort nicht.

„Allerdings sind auch Verlegungen in gleichwertige Unterkünfte mit Perspektive Wohnen oder andere Standorte der öffentlich-rechtlichen Unterbringung möglich“, sagt Barbara Ketelhut, Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. Die Unterkünfte mit Perspektive Wohnen seien eben temporäre Unterbringungen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Bis zum Jahresende sollen insgesamt etwa 1.000 Plätze der UPW-Wohnungen geräumt werden. Es werde versucht, „auf Familien mit Kindern Rücksicht zu nehmen, um einen Wechsel von Kita oder Schule zu vermeiden“, teilten die Sprecher des zentralen Koordinierungsstabs für Flüchtlinge, Daniel Posselt und Ketelhut der taz in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Einen Anspruch darauf gebe es aber nicht.

„Für Geflüchtete werden die UPW so zu einem bloßen Verschiebebahnhof“, kritisiert Carola Ensslen, die integrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Von der Erstaufnahme bis – vielleicht – zur eigenen Mietwohnung vergehen Jahre mit mehrfachen Umzügen.“ So könne Integration nicht gelingen.

Die „lapidare Äußerung“ des Senats in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage, „dass Geflüchtete in öffentlicher Unterbringung angehalten sind, sich eigenständig um Wohnraum zu bemühen“, findet sie „zynisch“. Zwar könnten anerkannte Geflüchtete sich mit einem Dringlichkeitsschein auch auf die neu entstandenen Sozialwohnungen bewerben, bislang habe aber niemand von denen, die ausziehen mussten, auf diesem Weg eine Wohnung bekommen, sagt Ensslen.

Der Besitz eines Dringlichkeitsscheins ist für Wohnungssuchende eine Voraussetzung für das Anrecht auf eine Sozialwohnung. Ausländische und einheimische Wohnungslose würden bei der Vergabe solcher Scheine gleichwertig behandelt, schreibt der Senat in seiner Antwort auf die Linken-Anfrage. Man bekommt den Schein beim Bezirksamt. Nur: Die Berechtigung auf eine Sozialwohnung heißt noch nicht, dass man auch eine bekommt. Es gibt weit mehr Sozialwohnungsberechtigte als Sozialwohnungen.

Das Ziel der Umwandlung von Unterkünften mit Perspektive Wohnen in Sozialwohnungen ist, „dass eine gemischte Nutzung von regulärem Wohnen und öffentlich-rechtlicher Unterbringung realisiert“ werde, heißt es in der Antwort des Senats. Mit anderen Worten: Die Stadt will Gettobildung vermeiden.

In dem Bürgervertrag, den der Senat 2016 mit einem Verband aus Bürgerinitiativen geschlossen hatte, war die Stadt in 940 Gebiete aufgeteilt worden. Ziel war es, eine Reduzierung der Geflüchtetenzahlen pro Unterkunft zu erreichen. Dies hat aber zur Folge, dass die Plätze auch in den beliebten Unterkünften mit Perspektive Wohnen weniger werden.