wahlen in australien
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Kohle statt Korallen

Nach einem vom Klimawandel beherrschten Wahlkampf wird Australiens konservative Regierung überraschend wiedergewählt. Sie steht für Klimaskepsis und Kohlebergbau

Schockstarre statt Feierlaune: Aktivisten der linken Labor-Opposition in Melbourne reagieren auf die Wahlergebnisse Foto: Andy Brownbill/ap

Aus Canberra Urs Wälterlin

Zuerst sah es danach aus, als habe das progressive Australien bei den Wahlen am Samstag die Oberhand. Kurz nach Beginn der Auszählung der 17 Millionen Wählerstimmen verlor der wohl konservativste Politiker Australiens, Ex-Premierminister Tony Abbott, nach 25 Jahren im Parlament seinen Sitz. Gewinnerin war die Unabhängige Zali Steggall. Die Anwältin aus dem wohlhabenden Nord-Sydney hatte sich im Wahlkampf darauf fokussiert, dass Australien endlich energisch gegen den Klimawandel vorgehen solle – Abbott gilt als größter Verhinderer von Klimaschutzmaßahmen im Parlament, er hatte einst Klimawissenschaft als „Mist“ bezeichnet und ein erfolgreiches Emissionshandelsprogramm storniert. Seither stieg Australiens Klimagas-Ausstoß auf den pro Kopf weltweit höchsten Stand unter den Industriestaaten.

Doch die Hoffnung auf einen Sieg der oppositionellen LaborPartei, die für mehr Klimaschutz plädiert hatte, zerschlugen sich am Samstagabend spektakulär. Der bisherige konservative Premierminister Scott Morrison, der erst im vergangenen Jahr nach einem parteiinternen Putsch gegen seinen Vorgänger Malcolm Turnbull an die Macht gekommen war, konnte schon bald den Sieg ausrufen. Zwar standen die endgültigen Zahlen auch am Sonntagabend noch nicht fest. Es ist aber klar, dass die nationalliberale Koalition im 151 Sitze zählenden Unterhaus eine Mehrheit bilden kann – eventuell mit Unterstützung ultrarechter Kleinparteien.

„Es ist offensichtlich, dass Labor die nächste Regierung nicht bilden kann“, musste Labor-Chef Bill Shorten vor seinen Anhängern eingestehen und trat sofort als Parteipräsident zurück. Seine Nachfolge ist offen.

Dass der 51-jährige Morrison selbst nicht an seinen Sieg geglaubt hatte, lässt seine Aussage vermuten, wonach es sich bei dem Ergebnis um „ein Wunder“ handle. Der Premierminister ist ein streng gläubiger Anhänger einer Pfingstgemeinde-Kirche. Der gescheiterte Tony Abbott hingegen drückte es anders aus: die wirtschaftlichen Aspekte des Klimawandels hätten die moralischen übertrumpft.

Tatsächlich hatten Umfragen gezeigt, dass zum ersten Mal bei Wahlen in Australien der Kampf gegen die globale Erwärmung die anderen Sorgen der Bevölkerung überschatten würde. Überschwemmungen, Waldbrände, Dürreperioden, Absterben des Großen Barrier Riffs – angesichts all dessen zeigten sich immer mehr Australier besorgt, so die Meinungsforscher. Kritik gab es am Mangel an Klimaschutz durch die konservative Regierung, die stark unter dem Einfluss Abbotts und einer kleinen Gruppe klimaskeptischer Parlamentarier steht. Entsprechend positionierten sich die Parteien vor der Wahl: die konservative Regierung plädierte auf Minimalmaßnahmen gegen den Klimawandel und warnte vor den hohen Kosten, Labor wollte den Kampf gegen globale Erwärmung zur Chefsache machen. So solle, forderte die Labor-Opposition, Australien seine Klimaemissionen statt der von Morrison geplanten 26 Prozent bis 2030 um 45 Prozent reduzieren. Auch wollte Shorten die Nutzung erneuerbarer Energien fördern.

Der bekannte Umweltschützer Bob Brown spricht von einem „Sieg von Geld über Moral“

Kernaussage der Regierung dagegen war, dass verstärkter Klimaschutz das Überleben der Kohleindustrie gefährden könne und damit tausende von Arbeitsplätzen. Unterstützt wurde die Regierung von den in Australien dominierenden Medien des Medienzaren Rupert Murdoch. Diese bombardierten die Bevölkerung mit Fake News über die vermeintliche Unzuverlässigkeit und Korruption der internationalen Klimaforschung. Dabei steht das Argument der Arbeitsplätze seit Jahren auf wackeligen Füßen: Offiziellen Zahlen zufolge beschäftigt die Kohleindustrie in Australien rund 8.000 Menschen. Der mit dem Großen Barrier Riff verbundene Tourismus gibt dagegen fast 70.000 Menschen Arbeit. Forscher fürchten, dass das größte Korallenriff der Welt bis 2050 tot sein wird, falls es der Welt nicht gelingt, den Anstieg des globalen Klimas bei 1,5 Grad Celsius zu beschränken.

Der bekannte Umweltschützer Bob Brown, einer der Gründer der globalen Bewegung der grünen Parteien, stimmte am Sonntag ausnahmsweise seinem langzeitigen Widersacher Tony Abbott zu. Er sprach von einem „Sieg von Geld über Moral“. Die australische Umweltbewegung werde aber vehement weiterkämpfen.

Beobachter gehen davon aus, dass die konservative Regierung Pläne des indischen Rohstoffunternehmens Adani für den Bau einer großen Kohlemine in Queensland bald umsetzen will. In diesem Bundesstaat konnte die Regierung die größten Stimmengewinne verzeichnen. Gegen das Projekt hatten in den vergangenen Jahren Tausende von Menschen protestiert. Wegen der negativen Folgen für die Umwelt weigern sich internationale Banken wie Deutsche Bank und UBS, die Mine zu finanzieren.