Krise in Bosnien und Herzegowina: Serben rüsten auf

Milorad Dodik, der starke Mann in der serbischen Teilrepublik, möchte eine eigene Armee gründen. Die Reformagenda der EU ist ihm egal.

Milorad Dodik bei einer Pressekonferenz im vergangenen November in Sarajevo

Sabotage des Staates Bosnien und Herzegowina um jeden Preis: Milorad Dodik Foto: reuters

SPLIT taz | Der bosnisch-serbische Politiker Milorad Dodik zündelt in Bosnien und Herzegowina ungebremst weiter und ist dabei, sogar eine internationale Krise heraufzubeschwören. Erst am vergangenen Sonntag erklärte er, es sei nach dem Friedensvertrag von Dayton 1995 ein Fehler gewesen, die Armee der bosnischen Serben aufzulösen. Nur unter internationalem Druck hätten die Serben damals nachgegeben, erklärte Dodik.

Er fungiert zurzeit als serbischer Vertreter im dreiköpfigen Staatspräsidium im Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina sogar als Staatspräsident, unternimmt aber gleichzeitig alles, um den gemeinsamen Staat zu sabotieren.

Bei den Verhandlungen in Dayton wurde 1995 beschlossen, die Armeen der drei „Kriegsparteien“ unter der Aufsicht der Nato-geführten internationalen Truppen aufzulösen. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, damals der Brite Paddy Ashdown, setzte 2003 eine gemeinsame Armee mit Vertretern aller drei Volksgruppen, der Bosniaken, der Serben und der Kroaten, durch. Sie besteht aus drei Regimentern mit einem gemeinsamen Oberkommando.

Nach dem Willen der in der Peace Implementation Conference zusammengeschlossenen 52 in Bosnien engagierten Staaten und internationalen Organisationen und im Einklang mit der UNO sollte damals mit der Schaffung einer gemeinsamen Armee der Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina gefestigt werden.

Institutionen werden ausgehöhlt

Der Führer der serbischen Nationalisten, Milorad Dodik, stellt nun die gemeinsame Armee genauso in Frage wie den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina. Ihm ist es in den vergangenen Jahren mit Hilfe Russlands nach und nach gelungen, die Institutionen des Gesamtstaates auszuhöhlen und den in Dayton geschaffenen serbischen Teilstaat Republika Srpska (RS) als quasi eigenständigen Staat aufzubauen.

So schert sich Dodik nicht mehr um die Reformvorschläge der EU für den gemeinsamen Staat Bosnien und Herzegowina, der 2016 ein Beitrittsgesuch bei der EU gestellt hat. Gemeinsam mit dem kroatischen Nationalistenführer Dragan Čović werden seit Jahren alle Reformbemühungen, die zur Integration des Landes in die EU führen sollen, blockiert.

Wladimir Putin hat ein strategisches Ziel: Den russischen Einfluss auf dem Balkan ausweiten und dem Einfluss der Nato entgegentreten

Jetzt möchte er offenbar das serbisch dominierte Regiment der gemeinsamen Armee der Republika Srpska unterstellen. Gestützt wird diese Politik durch Russland, das mit Militärberatern in der Republika Srpska und in Serbien selbst aktiv ist. Russen bilden seit mehr als drei Jahren in Banja Luka sogenannte Antiterroreinheiten aus. Nach Ansicht westlicher Militärexperten sind das keine Polizei­einheiten mehr, sondern der Kern einer serbisch-bosnischen Armee.

Dodik hat offenbar die Absicht, das serbische Regiment der gemeinsamen Bosnischen Armee mit diesen Spezialkräften zusammenzuführen. Er spricht sogar davon, die Uniformen denen der serbischen Streitkräfte aus der Zeit des Krieges anzugleichen.

Russland hat nicht nur Waffen geliefert, in den vergangenen zwei Jahren zum Beispiel 4.000 Gewehre, dazu auch Flugabwehrraketen vom Typ Igla 1-V. Auch wirtschaftlich versucht Russland die RS enger an sich zu binden, so vor allem im Energiesektor mit dem Kauf der Raffinerie in Bosanski Brod und durch Aktivitäten des Erdgasförderunternehmens Gazprom.

Ganz im Stile Wladimir Putins

Dennoch ist der Teilstaat wirtschaftlich am Boden, die Armut und Perspektivlosigkeit treibt immer mehr Menschen ins Ausland. Zudem kann die RS auch nicht einmal mit der Entwicklung in der bosniakisch-kroatischen Föderation mithalten.

Doch der Schirmherr Dodiks, Russlands Präsident Wladimir Putin, hat ein strategisches Ziel: Er will den russischen Einfluss mit Hilfe Dodiks auf dem Balkan ausweiten und dem Einfluss der Nato entgegentreten.

In Serbien selbst ist dies schon gelungen, mit der kroatischen Rechten gibt es ebenfalls immer engere Kontakte. Ideologisch bietet die Orthodoxe Kirche Russlands Hilfe an, und Kosakenchöre sollen die Menschen erfreuen. Rechtsradikale Biker aus Russland besuchten im März dieses Jahres den serbischen Teilstaat in Bosnien. Andererseits haben Hunderte von serbischen Ex-Soldaten als Freiwillige auf Seiten Russlands im Donbass, in der Ostukraine, gedient.

Ganz im Stile Wladimir Putins geht Dodik gegen Kritiker vor – mit rabiater Gewalt werden sie unterdrückt und mundtot gemacht. Wie die Bewegung für den ermordeten Studenten David im Dezember vergangenen Jahres, dessen Vater Proteste ini­tiiert hatte.

Kürzlich wurde ein Geschäftsmann aus Banja Luka, der Dodik öffentlich kritisiert hatte, ermordet. Viele Mitglieder der Zivilgesellschaft haben in den letzten Monaten das Land verlassen.

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