Großdemos für Bildung in Brasilien: Eine Masse „nützlicher Idioten“

Tausende protestieren in Brasilien gegen Kürzungen im Bildungsbereich. Der rechte Präsident Bolsonaro betreibt offenbar einen Kulturkampf.

Protestierende springen über eine Absperrung in einer U-Bahn-Station

Demos in 160 Städten: Studierenden-Protest und ihre Ausschreitungen in Brasilien Foto: reuters

Es sind die ersten großen Proteste gegen Präsident Jair Bolsonaro seit seinem Amtsantritt vor erst viereinhalb Monaten. In 160 Städten in Brasilien gingen am Mittwoch Hunderttausende Studierende, Professor*innen, Anhänger*innen von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen auf die Straße, um gegen Kürzungen im Bildungsbereich zu protestieren.

Zudem forderten sie die Autonomie von Forschung und Lehre, sprachen sich gegen das Projekt der „escola sem partido“ (parteilose Schule) aus, mit der die rechtsextreme Regierung eine „politische Indoktrination“ und Vermittlung einer sogenannten Genderideologie verhindern will. Und sie kritisierten die geplante Rentenreform, das derzeit größte Projekt der Regierung.

Die vom neuen Erziehungsminister Abraham Weintraub anvisierten Einsparungen von 30 Prozent des bisherigen Etats betreffen alle Bereiche der Bildung, von der Grundschule bis zum Hochschulstudium sowie Forschungsstipendien und sollen bis zu 2 Milliarden Reais (etwa 445 Millionen Euro) einsparen.

Präsident Bolsonaro befindet sich derzeit auf Besuch bei Ex-Präsident George W. Bush in Texas. Dort bezeichnete er die Protestierenden Journalist*innen gegenüber als „Trottel“, „nützliche Idioten“ und „Manövriermasse für eine Minderheit von Klugscheißern, die an den Universitäten Brasiliens den Kern ausmachen “.

Die harsche Wortwahl gibt einen Hinweis darauf, dass es nicht nur um eine ökonomische Notwendigkeit geht, von der Erziehungsminister Abraham Weintraub ebenfalls am Mittwoch vor dem Kongress sprach. Dort hatte er die Vorgängerregierungen unter Dilma Rousseff und Michel Temer als Verantwortliche für die Kürzungen bezeichnet.

Kampf gegen „kulturellen Marxismus“

Doch hinter dem massiven Einschnitt steckt mehr. Schon Weintraubs Vorgänger hatte dem „kulturellen Marxismus“ den Kampf angesagt, der die Gesellschaft mittels Kultur und Bildung beherrsche. Weintraub hatte dies wiederholt und die Universitäten einen „Schweinestall“ genannt.

Auch andere Äußerungen legen nahe, dass mit den Kürzungen Regierungsgegner getroffen werden sollen. Carlos Jordy, Abgeordneter der Bolsonaro-Partei PSL von Rio de Janeiro, twitterte: „Heute stehe ich mit Abraham Weintraub zusammen, um ihn zu unterstützen an diesem Tag der Schlacht gegen das Böse.“

Die Proteste, die von Reportern der Zeitung Folha de São Paulo als vielfältig und relativ spontan bezeichnet wurden, hatten auch Kritiken hervorgerufen. Auf den Demonstrationsveranstaltungen waren zahlreiche Fahnen der Landlosenbewegung MST sowie Forderungen nach der Freilassung von Ex-Präsident Lula da Silva zu sehen. Auf Twitter legten User*innen nahe, viele davon aus dem rechten Spektrum, dass es in Wirklichkeit nicht um die Bildung gehe, sondern einfach gegen Bolsonaro und für Lula. Viele zitierten die Worte Bolsonaros, sie seien „nützliche Idioten“.

In zwei Wochen will die studentische Gewerkschaft UNE wieder auf die Straße gehen. Am 14. Juni soll es dann zum großen Generalstreik kommen.

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