Kommentar Report zum Antisemitismus: Deutschland, kein Ort für Juden?

Was ist los in Deutschland, dass sich Juden hier fürchten müssen? Ein Rechtsstaat hat Möglichkeiten, Minderheiten im Land zu schützen.

Ein Vater und sein Sohn beten an der Klagemauer

Dass es Israel gibt, entbindet kein anderes Land von der Pflicht, Juden zu schützen Foto: Unsplash/ Anton Mislawsky

Großbritannien, Frankreich und Deutschland stehen ganz oben. Leider ist es die Liste der europäischen Staaten in einem am Mittwoch veröffentlichten Tel Aviver Bericht über Antisemitismus. Was ist nur los in Deutschland, dass sich 74 Jahre nach der Befreiung der Häftlinge aus den Konzentrationslagern Juden hier wieder fürchten müssen? Die Fortsetzung jüdischer Existenz sei gefährdet, heißt es. Dabei sind die Feinde nicht mehr nur in den extremen politischen Lagern zu finden und bei den Islamisten. Antisemitismus sei wieder salonfähig, hält der Bericht fest. Es mag einen gruseln.

Die Vorurteile zeugen so sehr von mangelndem Demokratieverständnis wie von Primitivität. Es muss ein Schuldiger her, ein Sündenbock. Die Juden waren schon immer recht, wenn es darum ging, den Kopf hinzuhalten. Bei Cholera und Pest brannten die Synagogen, bei schlechten Ernten wurden Juden verprügelt. Wie praktisch, stets jemanden parat zu haben, wenn etwas schief geht. Nur bleibt der Hass gegen die Juden kaum auf die Juden beschränkt. Da sind die Schwulen und Lesben, Behinderte und wer stand sonst noch auf der Liste der Nazis, und wer würde heute zu ihren Opfern zählen.

Ein Rechtsstaat hat Möglichkeiten, die Minderheiten im Land zu schützen. Dass sich jeder Bürger Deutschlands sicher fühlt, ist letztendlich Aufgabe von Polizei und Richtern. Um dem Phänomen von ideologisch motivierter Gewalt langfristig den Boden zu entziehen, sind Schulen und Bildungseinrichtungen gefragt. Ohne Aufklärung ist der Ignoranz der Rassisten kaum beizukommen. Die Ergebnisse des Tel Aviver Berichts zeugen übrigens von globalen Versäumnissen. Antisemitismus nimmt auch in den USA und in Süd­afrika zu.

Zum Glück gibt es Israel. Sollten die westlichen Staaten an ihrer Aufgabe scheitern, allen Bürgern ein sicheres Heim zu verschaffen, bleibt den Juden heute der Weg nach Israel. Ob sie in Tel Aviv sicherer leben, als in Berlin, Paris oder London, sei dahingestellt. Nur wird sie hier niemand beschimpfen, weil sie Juden sind.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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