heute in hamburg
: „Das führt nur zu gespaltener Gesellschaft“

Foto: KDA Nordkirche

Heike Riemann, 56, Referentin für den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, mit dem Schwerpunkt prekäre Arbeits­verhältnisse.

Interview Julika Kott

taz: Frau Riemann, wieso beteiligen sich Langzeitarbeitslose nicht am politischen Leben?

Heike Riemann: Sie nehmen schon Anteil, haben aber den Eindruck, ihre Wahl bewirke nichts und sie werden ohnehin nicht gehört. Die Studie der Denkfabrik der Neuen Arbeit in Stuttgart, die das untersucht hat, zeigt aber, dass sie sich zwar in ihrer politischen Interessiertheit nicht von Menschen mit Arbeit unterscheiden, jedoch deutlich seltener wählen gehen.

Woran liegt das?

Der Eindruck, dass ihnen niemand zuhört, ist wahrscheinlich nicht falsch. Die Politik konzentriert sich auf eine Mehrheit, obwohl sie als Gewählte eigentlich uns alle vertreten sollten. So wird bestimmten Gesellschaftsgruppen nicht zugehört, was jedoch nur zu einer gespaltenen Gesellschaft führen kann.

Und diese Studie zur politischen Beteiligung von Langzeiterwerbslosen, bringt die wirklich neue Antworten?

Diese Studie wurde von Langzeitarbeitslosen mit Wissenschaftlern erstellt. Langzeitarbeitslose Menschen wurden in die Entstehung der Forschung inkludiert und sie konnten an der Diskussion teilnehmen. Außerdem wurden nicht nur die Ursachen einer Langzeitarbeitslosigkeit erforscht, sondern es wurde auch nach Lösungsansätze in der sozialen Arbeit gesucht.

Was ist dabei das größte Problem?

Die langfristige Arbeitslosigkeit erschwert den Wiedereinstieg in den Job. Klar gibt es Coaching und Beratung, aber es ist schwer, mit dieser Einschränkung einen passenden Arbeitgeber zu finden. Noch dazu existiert das Gefühl, nicht richtig beteiligt zu sein und es gibt nur eine geringe finanzielle Unterstützung. Oft wird übersehen, dass es sich einfach auch um einzelne Menschen, mit eigenen Bedürfnissen und Ansichten handelt.

Diskussion „Wie beteiligen sich Langzeitarbeitslose politisch?“: 19 Uhr, Rathauspassage, Eintritt frei

Es gibt doch bestimmt staatliche Hilfe.

Ja, natürlich gibt es staatliche Unterstützung. Aber das ist ja nicht alles! Selbst bei dem neuen Teilhabechancengesetz werden keine Beitrage in die Arbeitslosenkassen gezahlt und der Arbeitsplatz wird nicht als vollwertig wahrgenommen – und weniger entgeltet. Das verletzt.

Welche Lösungen gibt es?

Vorurteilsloser an die Problematik herangehen! Man wird so reduziert auf die langfristige Erwerbslosigkeit, obwohl Arbeitslosigkeit auch in Zeiten der Vollbeschäftigung und des Fachkräftemangels eintreten kann.