Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Wenn was Großes brennt, macht das ergriffen

Foto: Roberta Sant'anna

Die Kölner haben ja auch so ein Heimatgefühl, wenn sie vor ihrem Dom stehen. Dabei hat der so was erdrückend Düster-Wuchtiges und wenn du reingehst, nur Holzbänke und oben auf der Kanzel steht vielleicht so ein Kinderficker“, sagt der Typ zu seinen Freunden auf dem Hamburger Dom am Würstchenstand.

„Mit Religion kannste mich auch jagen, aber Notre-Dame war ja nicht irgendeine Kirche.“

„Trotzdem muss man dafür nicht spenden.“

„Wer hat da eigentlich so ’ne Riesensumme gespendet? So ’ne Familie von Beruf her Erdölkonzern, oder? Machen die Umwelt kaputt, aber Hauptsache, der Patriotismus wird uns alle überleben.“

„Meiner Mutter standen Kirchen auch schon immer näher als Menschen, die hat jetzt ihre halbe Rente nach Frankreich überwiesen, aber die gibt keinem Obdachlosen ’nen Cent.“

„Haben wir hier in Deutschland eigentlich vergleichbare Nationalheiligtümer, wo alle traurig wären, wenn die abbrennen?“

„Hm, nö.“

„Weiß nicht, nee, fällt mir nichts zu ein.“

„Wir haben einiges von Bedeutung, aber nichts Universales zum Lieben.“

„Nee, hier würden nirgends Muslime, Katholiken, Juden, Buddhisten, Atheisten und Touristen zusammen im Feuerschein ungläubig betroffen staunen.“

„Boa ey, immer dieses theatralische Bild, als würd’die Welt davon besser, weil mal wieder auffällt, dass alle Menschen Menschen sind und Gefühle Gefühle. Wem das nicht klar ist, der ist eh im Arsch.“

„Genau und ein Gebäude ist ein Gebäude, Kirche hin oder her.“

„Viele haben wegen dem Gebäude ziemlich doll geweint.“

„Ach, wenn was Großes brennt, macht das ergriffen, da kochen archaische Gefühle hoch, das liegt in der Natur des Menschen. Das ist Biologie, nicht Kultur.“

„Stimmt, durch so ’n Feuer fühlt man sich irgendwie klein und ahnt, dass man über nix Kontrolle hat.“

„Im Internet stand irgendwo, es sei vielleicht ein Wink mit dem Zaunpfahl von Gott gewesen.“

„Gott hat gezündelt? Das machen doch eigentlich immer nur seine irrsten Stalker.“

„Ja, und die von Allah auch.“

„Ach, ich glaub, die meisten Leute da vor Ort haben sich gar keinen Kopf gemacht, sondern Selfies.“

„Gibt auch die These im Netz, dass die Regierung um Macron dahintersteckt, um von der politischen Krise abzulenken und das Wir-Gefühl sozial übergreifend zu stärken.“

„Das wär aber gar nicht fromm.“

„Aber strategisch nicht schlecht.“

„Ist ja auch bis heute auch nicht bewiesen, dass 2001 nicht Bush selbst den Auftrag erteilt hat.“

„Ach Leute, das wird mir jetzt zu verschwörungstheoretisch.“

„Religion ist doch auch Verschwörungstheorie, nichts ist bewiesen und etliche drehen drauf durch.“

„Könnt man neidisch werden, ich glaub an gar nichts und ich würd auch wegen nichts heulen, was nicht so ganz direkt zu mir gehört. Ist das bei euch anders?“

Alle schweigen und zucken mit den Schultern, einer sagt:

„Vielleicht ja in Tausend Jahren die Elbphilharmonie.“

„Aber dann gibt’s uns längst nicht mehr.“

„Nö, außer wir werden schnell noch Buddhist oder so.“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.“